Die Ärzte
They've Given Me Schrott! - Die Outtakes
Text: Martin Burger
Auf der Vorder- und Rückseite des Schubers sind in Silberfoliendruck müffelnde Comic-Kothaufen abgebildet, die Cover der drei Gatefolds verweisen auf die einzelnen Bandmitglieder. Weder zum Download noch auf Streaming-Portalen wird es die insgesamt 60 Tracks geben – Tracks, weil man nicht alle Titel Songs nennen kann. “They’ve Given Me Schrott!” enthält in neun sehr langen Minuten das erste Radiointerview der Ärzte und Werbejingles fürs Debütalbum “Debil” und “13”, einmal geben Bela B. und Farin Urlaub auch Antworten auf nie gestellte Journalistenfragen. Kategorie eins von vier, in die man die Outtakes einteilen kann, und eine nette Dreingabe, aber auch nicht unbedingt von historischem Wert. Kategorie zwei sind Demos von bekannten Songs, an denen sich Arbeitsprozesse ableiten lassen, was im Fall von “Helgoland” (richtig, “Westerland”) und “Staub” (später “Red mit mir”) durchaus interessant ist, ansonsten aber wenig aussagekräftig: Die meisten Skizzen liegen zu nah am Endergebnis. Urlaub erwähnt in den Linernotes zu “Herrliche Jahre” (auf den “Spendierhosen”) selbst, dass er seine späteren Demos zu korsettartig anlegte. Das lässt zumindest erahnen, wie die Arbeit am nächsten Album “Geräusch” ausgesehen haben muss: Drei autarke Songwriter bringen ihre quasi fertigen Solosongs ins Studio, Raum für weiteren Input bleibt kaum. Das “Weiße Album” der Beatles lässt grüßen. Mit “Worum es geht” ist dann auch nur ein Demo aus dieser Phase vertreten, und das für eine B-Seite. Zur eingehenden Beschäftigung hingegen laden die Kategorien drei und vier ein: Songs des nie umgesetzten englischsprachigen Albums und bisher gänzlich Unveröffentlichtes. Auf “No Secrets”, ein stürmisches Liebeslied, trifft beides zu, das schrieb Bela B. exklusiv, der Rest der frei übersetzten oder gleich neu getexteten Alternativ-Versionen weist (bis auf “Close Your Eyes Again”) kein Hitpotential auf, was wohl auch Die Ärzte damals erkannten. Als Teil dieser Kollektion ergeben sie noch am ehesten Sinn, denn von den bis jetzt nie veröffentlichten Demos hätte man den Großteil lieber nie gehört als von der Existenz zu erfahren. Das bescheuerte “Die Wahrheit über Mädchen” etwa oder Rod Gonzalez’ Big-Beat-Experiment “Bang Bang”. Je nach Sichtweise ist “They’ve Given Me Schrott!” – eine vorhersehbare Erkenntnis – also Service am Hardcore-Fan oder Schröpfen deluxe, aber für Sammler allemal besser als die schlampig zusammengestellte “Seitenhirsch”-Box.
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