Dabei klingt das fünfte Album der besten lebenden Band ihres Genres erst mal wie die letzten paar, nur schwächer. Schlackernde Arme, Klaviere und Streicher hinter jedem zweiten Satz, “Tchk-aaah” an den Anfang eines Songs gehaucht. Was sich Tom Gabel da wohl in die Sojamilch gerührt hat? Nun, was immer es war, es hat ihn schlagartig wachsen lassen. Vorbei die jugendliche Agitation; Against Me! suchen ihre Feinde nicht mehr draußen, sondern innendrin. “Because of the shame I associate with vulnerability I am numbing myself completely.” Sowieso haben sie immer als einzige Band aus ihrer Ecke über Beziehungen gesungen, jetzt recken sie die Fäuste dazu nicht mehr Richtung Pit, sondern feierlich in den Himmel, während die Gitarren (Flying Vs mit Herzen drauf?) alleine weiterspielen. Das ist Rock im klassischsten Sinne, anderthalb Füße im Stadion, trotzdem locker an der Arena vorbei, Country auf der VIP-Tribüne. In die “revolution” am Ende der ersten Zeile von “I Was A Teenage Anarchist” legt der Gerade-noch-Twen Gabel genau dieselbe Hingabe wie Linda Perry vor 17 Jahren und meint sie doch ein bisschen anders. “Suffocation” erzählt von einem “homosexual song of unfulfilled fathers”, im Refrain entfährt Tom Gabel das wohl breitbeinigste “ugh”-Geräusch seiner Karriere. So originell waren Against Me! lange nicht. Starke (stumpfe) Stampfer sind Shuffles, Schiebern und veritablen Indiepop-Hits gewichen. “Ache With Me” ist einerseits genau die pathostriefende Akustiknummer, die alle gealterten Hardcorekids nach dem zehnten Bier und zwei Steaks rausholen, um sich im Lagerfeuerlicht von Kapuzenpullijungs und Katzenmädchen anhimmeln zu lassen, aber dann ist sie es eben doch wieder nicht – weil sie von Against Me! stammt, die noch jedes Selbstmitleid zum Politikum gedreht haben. “Do you share the same sense of defeat?/ Have you realized all the things you’ll never be?” Sogar Tom Gabels Stimme muss sich nicht mehr kaputtreiben, um markanter zu klingen als je zuvor. Selbstverständlich sind da immer noch die kräftigen Backgroundchöre, die kritischen Texte voller substantivierter Fremdwörter. Aber der Antrieb kommt nicht mehr mit ganzem Druck von hinten, dass es einem die Kniekehlen wegreißt. Es schwingt seitlich, überraschend, aus der Hüfte. Ein Satz wie “There’s just no future left for us to dream of, living in an era of instability” mit riesigem Lächeln und flottem Surfer-Chor gesungen, das ist noch ungewohnt, aber super, sobald man sich darin eingerichtet hat. Against Me! sind jetzt eben – gut drauf?
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