...And You Will Know Us By The Trail Of Dead
Worlds Apart (Platte des Jahres 2005)
Text: Jochen Schliemann
Es gibt Platten, die von vorne bis hinten, vom Cover bis zum Zählerstand -0:00 nicht besser hätten gemacht werden können. Platten, die die Idee der begrenzten Zeit für musikalischen Ausdruck (in diesem Fall 45 Minuten) perfekt nutzen. Platten, die alles haben. Das orchestrale Intro, den umwerfenden Eröffnungssong, den Popsong, den Punksong, die Hymne. Den Krieg und die Versöhnung. Den Gesamtfluss, den Spannungsbogen. Den klassischen Sound, den zeitgemäßen Sound. Die grenzenlosen Harmonien, die intelligenten Arrangements, den Charakter, die Texte, das versöhnliche Ende: “Worlds Apart”. …And You Will Know Us By The Trail Of Dead. Ein paar Typen aus Texas. Typen, die Hotelzimmer zerlegen, die Menschen grundlos beschimpfen, die so berechenbar sind wie angestochene Schweine. Die dir auf die Fresse hauen, die Drogen nehmen, die allein sechs Monate am Studio für diese Platte zimmerten. Die unzählige Stunden neuen Computerprogrammen widmeten, die unendliche Songdiskussionen führten. Alles für eine Schallplatte. Das monumentale Intro von “Worlds Apart” heißt “Ode To Isis” und wird inzwischen bei amerikanischen Sportsendungen gespielt, wenn es darum geht, Dramatik aufzubauen. Bereits hier macht die Band ein derartiges Fass auf, dass man sich fragt, was da kommen soll. Es kommt aber tatsächlich: “Will You Smile Again?”, eine Ode an Brian Wilson, knüppelt mit zwei Schlagzeugen, Gitarren und brennenden Orchestern zunächst episch alles nieder, nur um Stille folgen zu lassen für die Begrüßung: “Close the door and drift away/ Into a sea of uncertainty”, haucht Conrad Keely hier noch, bevor er minutenlang schwadroniert, später austeilt, während der Song vom bluesigen Bassdrumgetrete zurückwächst zum rasenden Biest – Schnitt. Die Achterbahnfahrt durch alles, was 2005 mit Rockinstrumenten möglich ist, hat begonnen. Und sie fährt fort mit einem bitterbösen Witz. Zynischer kann man die aktuelle Musikwelt nicht veralbern als mit dem innerhalb von 15 Sekunden zusammenbrechenden Punkpop-Rhythmus zu Beginn des Titeltracks, der mündet in eine Abrechnung mit modernen Medien und unterstreicht: Egal, welche Wendung diese Platte nimmt, sie tut dies schlüssig und in voller Konsequenz. Die klaviergetragenen Supersongs “The Summer Of ’91” und (das gerade mal eineinhalb Minuten lange) “All White” etwa tragen uns bis vors Grab John Lennons. Beim Zählerstand 2:36 vom luftigen Wellenritt “The Rest Will Follow” fliegt dann ein Vogel direkt durchs Herz. Die Hymne des Fernseh-Newsjunkies Conrad Keely “A Classic Arts Showcase” rüttelt uns wach, der Triumph der Guten “Let It Dive” umarmt die gesamte Welt und “The Best” ist der viel zitierte bitterböse Abgesang auf den sterbenden Michael Jackson. Das ist nicht alles, denn in “Caterwaul” und “The Lost City Of Refuge” drückt plötzlich Drummer Jason Reece die Knöpfe. Minutenlang knüppelt die Band auf seinem so simplen, euphorischen Punkriff herum, spielt sich in Trance; Hände, Füße, alles fliegt eng umschlungen in den Orbit. Zum einen die beiden treibenden Charaktere, zum anderen das rigorose Ausloten von Genres machen “Worlds Apart” zum Nachfolger von “Songs For The Deaf”. Wie die Queens Of The Stone Age 2002 mit Blick nach hinten zusammenfassten, was Rock ist, stehen …Trail Of Dead auf rauchenden Festplatten und schauen nach vorn. “Kunst muss sich das momentan Mögliche nehmen und es rigoros bis ins Extreme benutzen”, erklärte Keely im Frühjahr 2005 eine Platte, die uns wie keine andere dieses Jahr vergegenwärtigte, was Rockmusik kann.
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