Allerdings wäre es zu kurz gedacht, das Debüt von Anika mit “The Velvet Underground & Nico” zu vergleichen, weil sich die Platten in den Äußerlichkeiten ähneln. Der Stachel sitzt tiefer, und Anika tut der Musik von Geoff Barrows Beak> tatsächlich ganz ähnliche Dinge an, die Nico der Musik von Lou Reeds Velvet Underground angetan hat: Sie unterwandert die Songs, sie stellt sich quer, sie singt so tief und kalt, dass man gar nicht mehr mitkriegt, welche Stunts die Band hinter ihr sich zumutet. Anika arbeitete als Politikjournalistin in Berlin und Bristol, als sie Barrow kennenlernte; beide eint eine Vorliebe für Punk, Dub, Agit-Prop, vergessene 60s-Girl-Groups und das Bedürfnis, all diese Dinge durch den nächsten verfügbaren Fleischwolf zu drehen. “Anika” wurde in 12 Tagen live aufgenommen, es ist “Dub ohne Overdubs”, wie die Beteiligten selbst so treffend sagen. Gitarren kreischen und kratzen, in der Rhythmusgruppe stecken tausend Stunden Krautrock-Schule, und das Pretenders-Cover “I Go To Sleep” wird mit rührseligen Klavierakkorden abgetupft. Ungleich unversöhnlicher ist Bob Dylans “Masters Of War” in der Anika-Version: Die Allgemeingültigkeit des Originals wird durch Soldaten-Sprachsamples zum Abgesang auf den “War on Terror” der USA und ihrer Verbündeten umgewandelt; die Musik verschwimmt zwischen Stimmen-Echo und Schlagzeug-Reverb. “Anika” fehlt natürlich die seziermesserscharfe Präzision, mit der Barrow bei Portishead vorgeht – aber seit deren letzter Mammutplatte scheint es ihm ohnehin vor allem darum zu gehen, nicht mehr zehn Jahre für eine Platte zu brauchen.
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VÖ: 23.07.2021