Arab Strap
I'm Totally Fine With It, Don't Give A Fuck Anymore
| Erschienen in: VISIONS Nr. 374
Arab Strap wirken wütend und müde. Mütend nennt man das heute. Einschläfernd wird dieses Album aber nie.
In der Apotheke gab es wieder nichts gegen Weltekel. Naja, Aidan Moffat und Malcolm Middleton wissen sich mit Musik zu helfen. Das achte Album der schottischen LoFi-Ikonen gibt sich für Bandverhältnisse kontrastreich und experimentierfreudig: Es beginnt mit schepperndem Indierock, in “Bliss” trifft Post-Rock auf Electro, während der nihilistische Song “Summer Season” mit Ambient-Noise und einem Klavier überrascht.
Vor allem die Slowcore-Überreste und Moffats oft indifferent und müde wirkender Gesang überzeugen. Dieser Gestus passt auch zu den Themen: Es geht etwa um Lethargie und Onlinesucht. Mehrere Songs erzählen von medialer Übersättigung, wobei sich das lyrische Ich eigentlich nach Sinnlichkeit und Unmittelbarkeit sehnt. Zugegeben, Musik über die Pandemie ist selten originell. Anders bei Arab Strap: Inspiriert von einer wahren Geschichte, singt Moffat in “Safe & Well” über eine Frau, die in ihrer Wohnung starb und verweste – unbemerkt von Nachbar:innen. Das Akustiklied verhandelt Einsamkeit in unserer vernetzten Welt so drastisch und mütend, dass einem die Spucke wegbleibt. Trotzdem gibt es Raum für Liebeslieder. Das macht die Platte weniger düster, als ihr Titel es suggeriert. Philipp Kressmann
Trotz zweier fantastischer Songs kann das umständlich betitelte Album einen nicht bei der Stange halten.
Der rüde brummende Bass, das donnernde Schlagzeug, die verzerrte Gitarre – mit “Allatonceness” starten Arab Strap aufrüttelnd und angriffslustig. Das folgende “Bliss” konterkariert das aber mit einem läppischen Electrobeat, an dessen Monotonie sich Aidan Moffat mit seinen schottisch gefärbten Alltagsbeobachtungen mühelos anpasst. Als hätte er den Steilpass, der “Allatonceness” ist, kläglich vertändelt.
Ähnliches passiert später noch einmal. “Strawberry Moon” unterfüttert seinen Drumcomputer-Beat erneut mit einem missmutigen Bass, von dem sich Moffat sogar zu so etwas wie einer Melodie jenseits der Rhythmik seines sonstigen Sprechgesangs motivieren lässt. Nur schieben Arab Strap mit “You’re Not There” eine seifige Ballade hinterher, die auf der musikalischen Ebene so billig klingt, wie es ihr liebloser Titel suggeriert.
Die vielen Kontraste des Albums verhindern einen echten Fluss, zu oft machen es sich Moffat und Malcolm Middleton in jener Ecke bequem, in der sich jene Musiker:innen versammeln, die irgendwann in ihrer Karriere einen Roman schreiben, weil sie die Schriftstellerei für ihre eigentliche Berufung halten. Dabei hätten Arab Strap musikalisch etwas zu bieten, würden sie sich öfter aus ihrer Ecke trauen. Florian Schneider
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