Augn
Gerstenkorn / Fata Morgana
Natürlich ist auch das zweite Album, wie schon das Debüt, ein Doppelalbum. Natürlich ist es ebenso absurd wie minimalistisch und dabei maximal störend. Und natürlich liegt der Genuss auch hier im Ertragenwollen. Wer das alles am Stück hört, ohne zwischendurch Migräne zu bekommen oder in heiligem Zorn die Kommentarspalten der Springerpresse zu trollen, ist ein stärkerer Mensch.
Denn Augn begnügen sich mit ein paar Basslines und Beats, wozu im Sound eines Alfred Tetzlaff mit Jungle-World-Abo alles, aber auch wirklich alles aufs Korn genommen wird, was sich jemals irgendwie äußert, atmet oder auch nur aus dem Fenster guckt. Die eigene Künstlerblase eingeschlossen. Dabei ist es gerade der sprachliche Vortrag, der so hart nervt wie kaum etwas sonst in der zeitgenössischen Unterhaltungsmusik mit Sendungs- und Ätzbewusstsein. Doch gerade diese Art von penetrantem Sprechgesang verschafft den so schrägen wie pointierten Texten eine Dringlichkeit, der man sich nur schwer entziehen kann.
In einer Zeit, in der alle eine Meinung haben, die zur Wahrheit, Haltung und zum Imperativ erklärt wird, solange man sie nur laut genug herausschreit und mittels Landmaschinen statt Sitzblockaden kundtut, hauen Augn richtig einen in die Wutbürgerfresse, wie die Hooliganversion von Helge Schneider. Von Schrott bis Genie stimmt hier jedes Urteil.
Das steckt drin: Helge Schneider, Sleaford Mods, Trio
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VÖ: 12.05.2023