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    Beth Gibbons
    Lives Outgrown

    VÖ: 17.05.2024 | Label: Domino
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 374
    10 / 12
    Beth Gibbons - Lives Outgrown

    Die Sängerin von Portishead veröffentlicht abseits futuristischer Elektronik zerbrechlich schöne Songs über die Sterblichkeit. Ein melancholischer Triumph zwischen Artrock und postmoderner Kammermusik und einem Schlagzeug aus Paella-Schüsseln.

    Auf dem Papier steht Beth Gibbons erstes waschechtes Soloalbum ihrer Karriere. Tatsächlich spinnt sie auf mondäne Weise fort, was sie zusammen mit Talk Talk-Bassist Paul Webb alias Rustin Man 2002 unter dem Titel “Out Of Season” angefangen hat. Das zweite Rustin-Man-Album “Drift Code” von 2019 blieb ohne die prägende Stimme von Gibbons im Übrigen völlig zu Unrecht unter dem Radar. Aber das nur am Rande.

    22 Jahre später arbeitet sie nun nicht mit Webb, sondern dessen ehemaligem Talk-Talk-Kollegen und Schlagzeuger Lee Harris zusammen. Gibbons Verbindung zu beiden reicht einigermaßen weit zurück. Beim gemeinsamen Projekt von Harris und Webb, dem völlig unterschätzten O.rang, das die zwei parallel zum Ende von Talk Talk ins Leben riefen, ist Gibbons als Gastsängerin zu hören. Eigentlich war sie auch für die Rolle der Frontfrau vorgesehen, bevor der wachsende Erfolg von Portishead diese Möglichkeit erst einmal ausschloss.

    Seither kreuzten sich aber immer wieder die Wege. Und jetzt war es die Sache von Harris einen geeigneten Schlagzeugsound im Sinne der Songwriterin zu finden. Dafür wurden Dosen mit Erbsen gefüllt, gegen Pappkartons getreten und Paella-Schüsseln aufgestellt – Hauptsache keine klassische Snare. Harris gibt zu Protokoll, er sei überall hingegangen, wo Gibbons hinwollte.
    Was nach einer experimentellen Phase Pink Floyds klingt, erweist sich hier als Kunstgriff. Denn die auf diese Weise klaustrophobisch anmutenden Percussions lassen viel Raum für Streicher und Gibbons Stimme.

    Im wunderbar psychedelischen “Rewind” gebührt ihnen trotzdem ein kleines Solo. Weil Harris alles mit Paukenschlägeln spielt, bekommt der Gesamtsound eine Weichheit, die im Stande ist, die Schwere der Thematik abzufedern. “The burden of life/ Just won’t leave us alone” singt Gibbons im bedrückend schönen “Ocean”, das den Faden des von Portishead “Third” wieder aufnimmt, wo sich Gibbons bereits abgekämpft und leicht lebensmüde zeigte.

    Auf ihrem bisher persönlichsten Werk schreibt sie über Mutterschaft, Wechslejahre und die Endlichkeit des eigenen Lebens in zehn hoch emotionalen Songs, aufgenommen über einen Zeitraum von zehn Jahren, die einmal mehr zeigen, wie zeitlos brillant diese Künstlerin doch ist. Parallel dazu erscheint das Portishead Live-Album “Roseland NYC Live” neu gemastert. Mehr Beth Gibbons auf einmal gab es noch nie und auch nur annähernd so viel zuletzt vor über 26 Jahren.

    Das steckt drin: Joanna Newsom, Rustin Man, Talk Talk


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