“Dead Silence” beginnt mit dem Ticken einer Uhr, als würde die Band sich selbst einen Seitenhieb geben. Zwar erscheint auch dieses Billy Talent-Album im bewährten Drei-Jahres-Abstand nach dem letzten, aber es sah zwischenzeitlich nicht so aus, als würde es damit noch etwas werden. Während sich ihr ohnehin MS-kranker Drummer Aaron Solowoniuk einer Herzoperation unterziehen musste, kämpfte Sänger Ben Kowalewicz gegen die erste ernste Schreibblockade seines Lebens an, und dem Vernehmen nach fiel es dem musikalischen Kopf der Band, Gitarrist und Assistenzsänger Ian Dsa, auch schon mal leichter, der Kreativität Auslauf zu geben.
Entsprechend hart erkämpft und teuer erkauft klingt “Dead Silence”: eine mühsame, aber niemals bemühte Platte – und das ist ein wichtiger Unterschied. Vielleicht ging es nur so für Billy Talent, sich aus dem Korsett zu befreien, in das sie sich mit ihrem eigentlichen Debüt 2003 Stück für Stück gezwängt hatten: mit harter Arbeit und kräftig sabotiert durchs Schicksal. Denn so einzigartig die Band schon damals klang, so festgelegt wirkte sie bald auf ihren Stil aus stakkatohaften Punkrock-Gitarren, dem giftigen Kreischen von Kowalewicz und der apokalytischen Grundhaltung. Natürlich und zum Glück haben Billy Talent diese Trademarks für “Dead Silence” nicht ganz aufgegeben, aber sie erweitern sie an entscheidenden Stellen. “We will show no mercy on evolutions mistakes”, propagiert der “Vikings Death March” und holt selbstbewusst zu einem Metal-Intermezzo aus, an das die Intros von “Surprise, Surprise” und “Running Across The Tracks” anschließen. Mehr Metal – das ist die eine von drei großen Neuerungen dieser Platte.
Die zweite ist die Wandlung von Kowalewiczs Stimme, die der hakenschlagenden Punknummer “Love Was Still Around” ebenso gewachsen ist wie dem schnörkellos schönen Uptempo-Song “Stand Up And Run”. Womit wir bei der dritten guten Nachricht wären: Billy Talent wagen sich immer noch auf das dünne Eis der Halbballaden vor, aber anders als früher kippen sie nicht Richtung Kitsch und Pathos weg. Im Gegenteil: Gerade die Songs im Spannungsfeld zwischen Wut und Melancholie, so wie die Endzeithymne “Cure For The Enemy” oder “Swallowed Up By The Ocean” mit Klaviereinstieg und Coldplays “Clocks”-Beat, gehören zu dem Besten, das Billy Talent jemals geschrieben haben. Insofern kann man das Ticken der Uhr am Anfang des Albums auch anders hören: Billy Talent haben begriffen, was die Stunde geschlagen hat. “Dead Silence” ist die Platte, auf der sich etwas ändern musste. Hat es getan. Und Billy Talent sind zurück – in der Form ihres Lebens.
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