Black Country, New Road
For The First Time
Text: Florian Schneider
Es ist unwahrscheinlich, dass Black Country, New Road die Reihenfolge der Songs auf “For The First Time” ebenso dem Zufall überlassen hätten wie ihren Namen, den sie Sänger Isaac Wood zufolge per Wikipedia-Zufallsgenerator gefunden haben. Denn die Tracklist funktioniert wie eine perfekte Setlist: Das krautrockige “Instrumental” fungiert als Intro, in dem vor allem das Saxofon von Lewis Evans und die Violine von Georgia Ellery glänzen können. Ellery, die als Jockstrap auf Warp veröffentlicht, ist vermutlich auch dafür verantwortlich, dass “For The First Time” bei Ninja Tune erscheint, die eher mit elektronischer Musik verbunden werden. Zwei der lediglich sechs Stücke des Albums hatte die Band zuvor schon als Singles veröffentlicht, für das Album aber nochmal überarbeitet – der Fluss, der sich daraus ergibt, spricht für diese Herangehensweise. Stile nämlich schnell die Übersicht. Während “Instrumental” eine der Stärken der Band herausstellt – das kunstvolle polyrhythmische Ineinandergreifen der sieben Instrumente –, zeigt “Athen’s
France”, wie sich die Band zurücknehmen und klein machen kann. Zu zarten Gitarrenakkorden und getupftem Schlagzeug zitiert Wood unter anderem Phoebe Bridgers‘ “Motion Sickness”. Seine Stimme zittert und kommt dabei etwas, das man Gesang nennen könnte, am nächsten. Viel lieber aber proklamiert Wood seine Verteidigungsschriften für Kanye West, seine ätzende Kritik an der Reizüberflutung der Popkultur und seinen Landsleuten in einem Duktus, mit dem er auch an der Speakers’ Corner Aufmerksamkeit gewinnen würde, während der Geist von Mark E. Smith grüßt. Höhepunkt des wilden Ritts durch Genres wie Noiserock, Klezmer, Balkan Beat und minimalistische Unisono-Parts ist “Science Fair”, in dem Wood den Bandnamen in einen Kontext rückt, der in der Post-Brexit-Zeit noch bitterer klingt: “What are you on tonight?/ I love this city/ Despite the burden of preferences/ What a time to be alive/ Oh I know where I’m going/ It’s Black Country out there”. Dazu zerschneiden dissonante Gitarren die Luft, während Ellerys Geige einen Teppich wie in einem alten Hollywood-Film legt, bevor ein Synthie-Arpeggio Aufregung addiert. Geht nicht, gibt es für diese Band nicht. Man kann nur hoffen, dass sie ihre Abenteuerlust über den gerechtfertigten Hype hinaus behalten, der ihr Debüt begleitet.
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