Black Lips
Good Bad Not Evil
Text: Nils Klein / Britta Helm
Manchmal erscheinen die besten Platten des Jahres schon im Frühjahr. Freunde gepflegter Garagenband-Plattensammlungen werden angesichts der Black Lips mindestens feuchte Augen bekommen. So weit hat sich die Band aus Atlanta, Georgia, doch in ihren Mikrokosmos aus krakeelendem Swamp-Blues, knarzigem Rock’n’Roll und abseitiger Psychedelika-Einflüsse vergraben, dass “Good Bad Not Evil” stellenweise auch als eigenständiger Beitrag zu Crypts “Jungle Exotica”-Reihe – kennt die noch jemand? – durchgehen könnte, während kurz danach immer wieder diese hüftzentrierten Melodien durchblitzen, auf die selbst die jungen Stones nicht gekommen sind. Die Band selbst bezeichnet das als “Flower Punk”, ein kategoriales Sammelbecken mit bisher unausgeloteten Tiefen, denn zwischen Front-Porch-Picking und Glockenspielüberdrehtheit passt immer noch ein The Black Keys/The Dirtbombs-Schrulligkeitsschmelztiegel, immer in Wallung und unter Energie stehend, ohne die Zügel fahrlässig aus der Hand zu geben. Ein Band, die dieses Abschlussplädoyer wert ist: In einer gerechten Welt würden alle selbst ernannten Stooges-Fans auf der Stelle Black Lips kaufen und bis zum St. Nimmerleinstag verehren! Und die Vinylindustrie würde Überstunden einplanen und Polyvinylchlorid würde vom Himmel regnen! Also bitte, Revolution jetzt.
8/12 Nils Klein
Die Musik alleine wäre höchstens egal. Mittelmäßiger Garagenkram mit Blueseinschlag, halbherzig umgesetzt und möglichst unperfekt aufgenommen, das kann man alles machen, wenn man denn muss. Sich dazu anziehen wie für eine American-Apparel-Werbung und alle Augen im Booklet mit Tippex übermalen, auch das, gerne, tut wenigstens keinem weh. Die Texte allerdings schlagen umso stumpfer um sich. “O Katrina why can’t you be serene/ O Katrina why you gotta be mean” gegen den Hurrikan, das ist auch abseits aller Political Correctness ungefähr so einfallsreich wie nackte Hintern und Kotze auf der Bühne. Wobei, ach ja, die waren das. Sind sich nicht zu schade für eine grenzwertige Ode an ein “kleines Indianermädchen” und das bestenfalls sinnfreie “How Do You Tell A Child That Someone Has Died?” (“Little Tommy, I have bad news for you today/ The teacher you loved Mr. Peterson/ Has sadly passed away”), in deren Geschmacklosigkeit der Witz ersäuft. Beim bösen bösen “Bad Kids” bleibt dann die ach so subversive Ironie gänzlich auf der Strecke und die kurze Erklärung zum Schlusslicht “Transcendental Light” versucht es schon gar nicht mehr: “If you die, you’re dead and that sucks.” Ja, super, Klassenfahrt und Popel und wer bitte hat so was nötig? Der Rest ist nur noch belanglos. Ein Glück.
3/12 Britta Helm
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