Große Überraschungen kann man nach so langer Geschichte nicht mehr unbedingt erwarten; die netteste ist, dass Boris das erste Vierteljahrhundert mit einem Blick zurück feiern. “Dear”, das sich wie ein Brief an die Fans richten soll, klingt schleppend und dekorationsfrei wie die ersten paar Alben der Band aus Tokio. Damit wird es sich einigermaßen problemlos in die Setlists der kommenden Jubiläumstour einfügen, auch wenn die bei den zig überlangen Songs im Repertoire nur ein Ding der Unmöglichkeit werden können. Dafür fügt sich “Dear” umso weniger in eine Zeit, in der auch experimenteller, doomiger Postmetal am liebsten füllig glänzen soll. Die zehn Songs, auf die Boris ihren kreativen Fluss aus ursprünglich drei neuen Alben auf einmal heruntergekürzt haben, bleiben spärlich und roh bis bruchstückhaft,
ohne in ruhigen Atmosphären zu versinken. Die leiseren Momente machen sich es zwischen ziependen Gitarren und Kopfgesang nie gemütlich und dann schon wieder Platz für Einsturzkrach aus Wolkenkratzerboxen und Zombiechöre. Es knarzt und wummert, dröhnt und rauscht, setzt dabei aber nie genug Teile auf einmal für ein Raumschiff
oder einen SUV zusammen. Die Musik von Boris ist konstanter Zerfall, deshalb heißen ihre Songs auch “Dystopia – Vanishing Point”, “Memento Mori” oder schlicht und plakativ “DEADSONG”, und deshalb passt ihr Abschiedsbrief so unauffällig ins Gesamtwerk. Aufgehört haben sie von Anfang an, was soll da jetzt schon noch groß passieren. So leicht werden Boris sich selbst nicht los.
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