Hat lange genug gedauert, bis sich die ehemaligen Surf- und Sixties-Rocker
auf ihre Stärke besonnen haben, und die liegt ganz unbestreitbar im
kompromisslosen Power-RocknRoll ohne Schnörkel und Experimente, dafür aber
mit einer Kraft, die den Energiebedarf einer kleinen Industrienation decken
könnte. Und was die charmanten Melodien angeht, kann es fast das ganze
Dutzend neuer Songs auf dem siebten BM-Album mit Vorgänger-Hits wie I Am
Your Radio aufnehmen. Balladen wurden längst zum Tabu erklärt, selbst
dezentere Töne anschlagende Nummern wie If You Only Knew und And Shes
Gone rocken immer noch alle Häuser, und man wünscht sich zuweilen gar eine
kleine Verschnaufpause. Doch Evan Foster und Gefährten geben kein Pardon,
jede noch so kleine Lücke wird mit Sound gefüllt, auf dass der Schweiß in
Strömen fließe. Allerdings könnte der Sound ruhig etwas derber sein, doch da
man bei dieser Platte die Anlage sowieso bis zum Anschlag aufdreht, wird
sich die nötige Verzerrung ganz von selbst einstellen. Nachdem bereits Bruce
Springsteen seinen Respekt vor den Boss Martians bekundet hat, wurde der
Band übrigens erneut eine unverhoffte Ehre zuteil: Die Lyrics der überaus
mitreißenden Hymne Mars Is For Martians hat Iggy Pop dem Quartett aus
Seattle auf den Leib geschrieben. Und bei Göttern beschwert man sich auch
nicht, wenn der Text ein wenig platt (A is for anal, B is for…) geraten
ist.
Dirk Siepe 9
Man würde ja sagen wollen, ein guter Song ist wenigstens drauf, auch wenn
den Iggy Pop geschrieben hat, aber nein, seinen besten Tag hatte der bei
Mars Is For Martians auch nicht. Da wird das Alphabet in Plattitüden
durchgekaut, die selbst Elmo nicht mehr retten könnte – S is for sex/ T is
for trouble… – und Evan Foster schon gar nicht. Man müsste schon sehr auf
deplaziertes Emocoregeknödel stehen, um dem ansonsten unverständlichen
Textbrei etwas abzugewinnen, und selbst dann wäre es bei den Instrumenten
vorbei. Mal kurz im Booklet nachgucken, Drums: der Opa von Iggy Pop? Nein?
Komisch, man hätte schwören können, beim altherrenschwachen Röcheln des
Schlagzeugs irgendwo im Hintergrund. Ganz vorne stehen die Gitarren, Stiefel
auf der Box und dann Solo, Solo, Solo… wie aus einer Zeit, zu der auch das
unsägliche Ausgefade am Songende noch ging. Da hat es vor lauter südlichem
Druck wohl nicht mehr zu echter Breitbeinigkeit gereicht. Zwischendurch
schreckt die Orgel aus der Rente, erinnert sich, dass sie auch noch da ist
und haut irgendwo ein paar Noten dazwischen. Egal, passt ja eh nichts
zusammen auf dieser Platte, die weniger Rock ist als jede Vorabendserie und
in ihren ruhigeren Momenten auch noch so klingt, als hätten sich die
beliebten Hauptdarsteller süße Lederjacken angezogen. Nächstes Jahr will
Iggy seinen Song noch mal selbst einsingen. Vielleicht übernimmt er lieber
auch noch den Rest.
Britta Helm 4
weitere Platten
The Set-Up
VÖ: 02.05.2005