Der Opener “Ain’t No Good” flirtet mit einem Pianosample und elektronischen Beats so heftig mit Pop, dass man nur hoffen kann, dass der jeweilige Beziehungsstatus beiderseits geklärt ist. So catchy wie das Ergebnis klingt, so sehr hat man das Gefühl, diesen Song bereits in allen Mobilfunkanbieterwerbespots des noch jungen Jahrtausends gehört zu haben. Aber bereits das folgende “I Missed The Plane” versöhnt einen wieder und fährt mit seinem Americana-infizierten Power-Pop zurück in bekanntere Gefilde. Spätestens mit “People Grow Apart” folgt dann der erste “klassische” Brendan Benson-Song: blues-infizierter Alternative Rock mit Uptempo-Drumming und Hammond-Orgel, getragen von Bensons latent nasalem Gesang samt leichtem Vibrato, das dem Vortrag des Raconteurs-Mitglied etwas Schuljungenhaftes verleiht. Es ist fast nicht möglich, alle Genres und Subgenres aufzuzählen, an denen sich Benson auf “Low Key” abarbeitet: Ob Alternative-Rock in “Whatever’s On My Mind”, Big-Band-Bläser und Blues-Licks in “Whole Lotta Nothin” oder Sprechgesang (ihn als Rap zu bezeichnen, würde etwas übers Ziel hinausschießen) in “All In” – Benson wildert frei und ungezwungen in allen Spielarten moderner und klassischer Rock- und Popmusik. Sein Spiel mit all diesen Einflüssen ist dabei so augenzwinkernd und elegant, dass man bereits nach kurzer Zeit davon mitgerissen wird. Bei der Dichte an Ohrwürmern, die Benson auf “Low Key” versammelt hat, verzeih man ihm dann auch einige Albernheiten, etwa den Autotune-Einsatz in “I Missed The Plane” oder den Closer “Something A Little Like Home”, der mit mehrfach gedoppeltem Gesang und Beat aus Fingerschnipsen auch als Contemporary-R&B-Nummer durchginge. Textlich bietet “Low Key” in erster Linie Unaufgeregtes: Benson singt – mal lakonisch, mal innig und zumeist mit einem melancholischen Unterton – über Anfänge und Enden einer Liebe, über Zweifel und Zuversicht oder über die wirklich wichtigen Themen des Lebens: “This is not up for debate/ No matter what I am get me some cake”, heißt es etwa in “All In”. Wer auf der Suche nach einem reinen Gitarrenalbum à la The Raconteurs ist, dürfte mit “Low Key” vermutlich fremdeln. Wer sich jedoch gerne überraschen lässt, für den kann das Album ein spätes Highlight des Musikjahres 2022 werden.
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