Größte Skepsis ist angesagt, wenn eine Band ohne Songs ins Studio geht und erst dort, im Schatten der Mikros und Rauch der weichen Drogen, ihre Lieder entwickeln will. Die Resultate bezeichnen die Beteiligten gerne als “spontan und ehrlich”. In Wirklichkeit sind sie meistens grausam. Auch das für ungewöhnliche Ansätze und experimentelle Songkunst bekannte US-Ensemble Califone hat es getan, noch dazu getrieben von einem Traum des Sängers Tim Rutili. Zu ihm sprach eines nachts eben jener Heron King, eine Gestalt halb Mensch, halb Vogel, und forderte seinen Tribut. Zu vermuten ist, dass Rutili auch bei der Aufnahme der ersten Songs nicht hellwach war. Zwischen tropischen Rhythmen und akustischen Gitarren singt er schlaftrunken mysteriöse Zeilen, die nie ein Mensch verstehen wird. Die positive Überraschung: Dieser erste Teil der Platte macht Spaß. Szenegröße Michael Krassner hat die Session hervorragend produziert, und die Traumbilder klingen organisch, lebendig und trotz aller Trägheit mitreißend. Alle Skepsis unbegründet? Man hofft weiter, wenn “2 Sisters Drunk On Each Other” plötzlich gar funky daherkommt. Doch dann brechen alle Dämme. “Heron King Blues”, das Titelstück. 15 Minuten lang. So eine Art Experimental-Jam mit Blues-Akkorden, dissonanten Streichern und ähnlichem Mumpitz. Kein Mensch braucht so was, und wenn die Vogel-Mensch-Gestalt diesen Blues in Auftrag gegeben hat, dann muss es ein Albtraum gewesen sein.