Einatmen. Ausatmen. Alle sechs bis acht Minuten. Providence will bewältigt, verstanden und verehrt werden.
Es ist das Schritttempo des King-Crimson-gegebenen Jazzprogrock, mit dem Callisto ihren Soundriesen durch die Tundra der finnischen Heimat wanken lassen. Deren Sicht auf den Postrock hat deutlich mehr Variablen im Gepäck als der träumerische Durchschnitt. Schon im Opener In Session und bei Convenant Colours bricht jener kontrollierte Zorn aus, den Killing Joke mit erfunden haben. Die atmosphärischen Extrakte des Hardcore und Death Metal sind und bleiben nur eine Zutat im Sound des Sextetts, denn auf rohes Fleisch beißt man auch auf dem zweiten Callisto-Album selten. Selbst der schreddernde Tool-Bass in Rule The Blood wird mit einem hintergründigen Bläser-Ensemble zu einem bizarren Gemälde vergossen. Die ohnehin raren Grunts von Markus Myllykangas bekommen auf Providence Seltenheitswert, viel lieber verlieren sich Band und Gesang wie bei Drying Mouths (In A Gasping Land) in ätherischen Höhen. Das Mellotron ist der beste Freund von Where The Spirits Tread, in dem man den schwedischen Vettern Opeth wohl am meisten nacheifert. Wenn Callisto mit Noir der Welt die Augen geöffnet haben, dann ist mit Providence nun der Mund dran. Der Quantensprung einer Band, die in abstrakten Wolkenschlössern lustwandelt wie andere in englischen Gärten.
10/12 Martin Iordanidis
Atmosphärisch, ja. Technisch sauber, sicher. Episch fließend, aber klar doch. Spannend? Nicht wirklich.
Es mag schon sein, dass die Einschätzung des neuen Callisto-Albums unter dem Veröffentlichungstermin leiden muss. From Monument To Masses haben ein tolles Postrockalbum vorgelegt, Mono schweben wieder einmal in luftigen Höhen, während Mastodon die Messlatte für durchdachte, heavy Rockmusik mal eben drei Stufen höher legen. Mag sein, dass da Providence etwas untergeht. Aber: Es wird nicht unterschätzt! Im Vergleich mit den genannten Kollegen haben die Finnen hier einfach zu wenig zu bieten. Tool-Bass, Dredg-Momente oder Opeth-Anleihen hin oder her, im Großen und Ganzen fließt das Ganze vor sich hin, ohne dass wirklich etwas Spannendes passiert. Schon bei Song fünf sind die Augen schwer geworden, und der zähe Gesang fördert sicher nicht das Wachbleiben. Wenn man will, kann man auch Callisto Postrock nennen. Beim Einsetzen des Saxofons will mir ein anderer Begriff nicht mehr aus dem Kopf: Lounge-Metal. Die Frage ist nur, warum man das hören wollen sollte, denn Metal – das sagt schon der Name – muss knallen. Da helfen kurze Ausbrüche mit Brüllgesang nicht viel, denn das wiederum können Isis und Envy intensiver. Callisto müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie ein Feld beackern, auf dem viele Bauern zugange sind. Und nur, wer sich da rechtzeitig eine eigene Parzelle sichert, wird am Ende ertragreich sein.
6/12 Jens Mayer
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