Viertes Album, vierte Besetzung – die einzige Konstante bei der Berliner Band ist Schlagzeuger Michael Drummer. Der heißt wirklich so und liefert auf “Emotional Detox” ein Glanzstück ab. Wer den Motorik-Beat des Krautrock exemplarisch vorgeführt bekommen möchte, der wird auf diesem Album fündig. In der Zeit, in der ein Metal-Schlagzeuger zehn Fills unterbringt, gestattet sich Drummer allenfalls die Exzentrik eines Schlags aufs Crash-Becken, ansonsten konzentriert er sich darauf, als Motor für die sonischen Experimente seiner inzwischen vier Mitstreiter zu fungieren. “Emotional Detox” ist das erste Album der einstigen Straßenmusiker, das mit zwei Keyboardern in der Band entstanden ist. Von deren Instrumentarium machen Camera reichlich Gebrauch. Steffen Kahle und Timm Brockmann teilen sich die Zeit im Schaufenster untereinander auf: Während der eine mit seinen Arpeggios die Basis eines Songs legt, darf der andere darüber improvisieren. Wobei diese Improvisationen nie in Muckertum ausarten, sondern wertvolle Akzente setzen, die eh schon endlosen Songs zu verlängern und noch mehr von dem Raum und der Weite zu schaffen, von der Yogis so gerne sprechen. Der Titel “Emotional Detox” ist dabei durchaus wörtlich zu nehmen, denn die Tracklist des Album ist derart geschickt komponiert, dass man die Pausen zwischen den einzelnen Songs kaum wahrnimmt. Stattdessen fließt die Platte wie ein einziger Strom, auf dem kleine Reize einen hin und wieder aus den Tagträumen reißen. Es ist ein verdammtes Klischee des Schreibens über Musik, dass ein Album einer Reise gleicht, und das nächste Klischee ist meist nicht weit, denn die Reise führt natürlich in ferne Galaxien, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Trotzdem trifft beides auf “Emotional Detox” zu, aber noch mehr, dass dieses Album wirklich etwas in einem bewirkt. Songs wie das mehr als 11 Minuten lange “Patrouille” lassen einen tiefer und freier atmen – etwas das von Anfang an so etwas wie die Bestimmung von Krautrock war. Dabei beziehen sich Camera ebenso geschickt auf ihre berühmten Vorgänger – ein ums andere Mal erinnern einen die Gitarrenmelodien an das Spiel von Michael Rother -, und machen das Genre für die Zukunft fit. Denn “Emotional Detox” ist alles andere als Ambient oder Klangtapete. Die Betonung der neun Songs liegt auf Rock und den zelebriert derzeit niemand in Deutschland so stoisch und repetitiv wie Camera. Dem Drummer sei Dank.
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