Casper
Alles war schön und nichts tat weh
Text: Juliane Kehr
Das beginnt schon damit, dass sich Benjamin Griffey für den Albumtitel ein Zitat aus Kurt Vonneguts Roman “Slaughterhouse Five” leiht. Der Titelsong und Opener ist das, was mittlerweile als typischer Casper-Song gelten dürfte: Die ruhige, falsche Fährte im Intro gefolgt von energischen, aufpeitschenden Klavierakkorden, die Vorbote eines bombastischen Refrains sind. “Was, wenn die besten Tage da nur ‘ne Phase waren?”, singt Griffey und erzählt von den Gedanken, die sich im Kopf auftürmen und die Sicht auf das Hier und Jetzt verbauen. Eine weitere Spezialität des 39-Jährigen ist, erfolgreich zwischen den musikalischen Stühlen zu balancieren und, in diesem Fall auch mithilfe verschiedener Gastsänger, ein bunt gemischtes Publikum anzusprechen. So leiht Rapper Tua (Die Orsons) dem HipHop-Choral “TNT” seine Stimme und die gefeierte Hamburger Rapperin Haiyti lässt Casper in “Mieses Leben/Wolken” am Ende einer zerstörerischen Beziehung am langen Arm verhungern. Sehnsuchtsvoll und optimistisch wird es in der Indie-Hymne “Gib Mir Gefahr”, in der sich Kraftklub-Sänger Felix Kummer nach der Rückkehr musikalischer Live-Exzesse sehnt: “Ich will nicht auf meinen Körper hören. Ich will einfach wieder am Tag danach schwören, das mach ich nie wieder.” Beatsteaks-Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß eröffnet das verträumte und rauschhafte “Euphoria”, untermalt von einem Synthie-Overkill, der mit seinen abrupten Entladungen an Songs von Bilderbuch erinnert. Inhaltlich verschachtelt und tiefschürfend präsentiert sich Casper in der Mitte des Albums mit Stücken wie “Billie Jo”, dem es gelingt, ganz ohne vorschnelle Schlüsse auszukommen und den Amoklauf eines amerikanischen Soldaten im Familienkreis in seiner traurigen Kompliziertheit stehen zu lassen. “Zwiebel & Mett” und “Das bisschen Regen” setzen dann “Die Vergessenen” fort, dessen erste beide Teile das Major-Debüt “XOXO” eröffnen, und knüpfen auch musikalisch mehr an den Post-Rock früherer Tage an. Das abschließende, biografische “Fabian” schwankt zwischen Zweifel, Hilflosigkeit und Optimismus, wenn Casper von der Krebserkrankung eines Freundes spricht: “Was ein blöder Idiot nennt ein Album auch ‘Lang lebe der Tod’“, beschreibt er seine eigenen destruktiven Gedankenschleifen, die den Sänger auch dann als schonungslosen Beobachter outen, wenn es um ihn selbst geht. Schließlich schrieb schon “Vonnegut” zur Eröffnung seines Romans: “Alles das hat sich mehr oder weniger zugetragen.”
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