Benjamin Griffey hat alles durch, jetzt nimmt er sich das Recht, mit kratziger Stimme über Klaviergespinster und einsame Streicher zu rappen. “Große Lieder schreiben wollte ich immer/ Nur passte nie der Klang meiner Stimme.” Zwar erinnert Caspers Stimme ordentlich an Dendemann, aber XOXO ist keine Sammlung sehr schlauer Wortspiele geworden. Es ist Casper ernst, mit seinen Texten für sprachlose Momente, mit der Musik, die klingt, als habe er sehr viele Instrumente sehr ausführlich gelernt und Elektro-Gefummel und Komposition noch dazu, mit diesem ganzen Album, dem man anhört, dass es jemand geschrieben und aufgenommen und rausgegeben hat und seitdem die Luft anhält und sich die Augen zu. Keiner, mit dem man danach noch unbefangen smalltalken könnte. Oder gerade.
“Aber Depression scheint niemals aus der Mode zu gehen.”
XOXO handelt von Bruce Willis und Kurt Cobain und den Smiths, im Titelsong singt Thees Uhlmann den Refrain, aber eigentlich handelt es nur von Casper, Benjamin und denen, die sie hören wollen. “Zugegeben, kann Ian Curtis mittlerweile gut verstehen/ Versuch das Leben rosig zu sehen/ Aber Depression scheint niemals aus der Mode zu gehen.” So viel Schwermut ist gesprochen noch richtiger als schnell geschrieen oder von Indie-Gewimmer nur angedeutet. Casper geht vielleicht auch für die, die sonst nicht an Clueso oder Samy Deluxe vorbeisehen. Kurz bevor es peinlich wird, schicken andere die eigene Mutter auf die Planke – Casper traut sich ein einminütiges Stück, in dem sein Vater von den Ambitionen seines Sohnes erzählt. “Ben was smart enough to do anything he wanted/ He could easily have become a doctor, lawyer, scientist.”
“Mit Armen in der Luft, beiden Beinen leicht neben dem Beat.”
Was auch nicht ins selbstreferenziellste Genre von allen passt, ist, wie selbstverständlich Casper es mit anderen selbstreferenziellen Genres durcheinanderwirft. “Ich tätowier mir deinen Namen übers Herz/ Mit Ankern, damit jeder weiß, wo meins hingehört/ nen Leuchtturm daneben, egal wie neblig, es leitet mich/ Schwalben an den Hals, dass jeder sieht, wie frei wir sind.” Was jetzt aber nicht verwirren sollte. “XOXO” ist ein HipHop-Album, ein ziemlich heftiges sogar, mit genug Abgeh- und Explosionsmomenten auch für die, die bisher nicht zugehört haben. So perfekt ist die Indie-Rave-Hymne, zu deren Wummerbeat nun wirklich jeder tanzen kann. “Mit Armen in der Luft, beiden Beinen leicht neben dem Beat.” Und eigentlich reicht es auch schon, wenn Casper im Opener runterzählt, bis die Scherben fliegen. Und das Herz klopft.
In VISIONS 220 – am Kiosk – spricht Casper außerdem mit uns über Internetsucht, Anti-Sein und natürlich sein Freitag erscheinendes Album.
Casper – Der Druck steigt / Blut sehen”
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