“Midnight” legt nahe, dass Stef Chura an vorderster Front ein Wörtchen mitzureden hat. Ob man ihren Worten Glauben schenken darf, ist eine andere Sache. “All I Do Is Lie” behauptet die Detroiterin zur Eröffnung ihres zweiten Albums nämlich – und das fast sechs Minuten lang, ohne dass auch nur eine Sekunde Langeweile aufkommt. Was als gesetzter Singer/Songwriter-Rock startet, franst zum Ende hin immer mehr Richtung Grunge aus und bereitet den Boden für eine Platte voller Überraschungen. Da wäre zum einen Churas Stimme. Deren Wandelbarkeit zog auf ihrem Debüt “Messes” noch alle Aufmerksamkeit auf sich, klang aber wie ein bewusst eingesetztes Instrument. Heute wechselt Chura scheinbar intuitiv zwischen lieblicher Klavierbegleitung, Countrysängerin auf Abwegen, Indie-Lässigkeit und noisigem Sprechgesang. Musikalisch ist “Midnight” eine ähnlich bunte Wundertüte, was nicht zuletzt an Produzent und Gastmusiker Will Toledo liegt, wie Chura selbst betont. Die Nonkonformität in Sachen Songwriting und Songstrukturen, wie sie Toledo mit seiner Band Car Seat Headrest praktiziert, zeichnet auch diese zwölf Songs aus, die sich vom einminütigen, in eine Blechdose gesungenen “Love Song” bis zu ausufernden Fünfminütern alles erlauben. Immer wieder biegen sie um die Ecke, wo es mal hakenschlagend und kratzbürstig wie in “Method Man” oder zum Niederknien herzerwärmend zugehen kann wie im großen Zeitlupenfinale von “Sincerely Yours”, das Aimee Mann zwar unverzerrter, aber nicht besser hinbekommen hätte. Damit liegt Chura irgendwo zwischen der Intensität von Torres und dem Slackertum von Courtney Barnett, also: goldrichtig.