Cloud Nothings
Final Summer
Es ist noch gar nicht so lange her, da galten Cloud Nothings als Aushängeschild für die patente Verquickung von Noiserock, Post-Hardcore und Indierock. Die Hinwendung zum konzentrierten Krach war für Frontmann Dylan Baldi eine Herzensangelegenheit, die dem Album “Attack On Memory” seinen Namen gab und mit der er sich vom Pop-Gestus des Debüts abgrenzen wollte.
Über die Jahre hinweg wurden Cloud Nothings rauer und kompromissloser, grungiger und noisiger, während sich Baldi regelmäßig die Stimmbänder aufrieb. Noiserock ist die Band auch auf “Final Summer” treu geblieben, aber er spielt eine andere Rolle. Er dient als Kontrast zur wieder deutlicher zum Vorschein kommenden Pop-Sensibilität der Band, etwa im Outro von “Daggers Of Light”, das slackermäßig dahinschlurft, bevor sich das im Hintergrund auftürmende Gewitter mit verfuzztem Krach Bahn bricht. Oder im marschierenden “Silence”, in dem sich Gitarrenwände aus hochgejazzten Indie-Gitarren an Klaviereinsprengseln und Baldis sauber intonierten Melodien reiben. Letzteres ist ohnehin ein Element, dem Cloud Nothings Album für Album mehr Raum geben. Das hätten sie ruhig schon früher machen können. Denn obwohl Baldis raspelig-raue Ausreißer im erwähnten “Silence” oder in “I’d Get Along” wie immer gut funktionieren, klingt der Kontrast zwischen Sägezahngitarren und echten Harmonien umso schöner, je drastischer er ist.
Dadurch entstehen fast automatisch mehrere Hommagen an Genrelegenden, etwa an Hüsker Dü in “Mouse Policy”. Und dass, obwohl sich Cloud Nothings für “Final Summer” nicht auf Steve Albini am Mischpult verlassen haben. Stattdessen sind mit Jeff Zeigler (Kurt Vile, The War On Drugs), Illuminati Hotties-Frontfrau Sarah Tudzin und Jack Callahan (Ryley Walker, Merchandise) gleich drei Personen an Aufnahme, Mix und Master beteiligt, die auf den ersten Blick wenig mit dem zugespitzten Sound der Band zu tun haben. Viele Köch:innen versüßen hier allerdings eher den Brei als ihn zu verderben.
Abgeschmeckt wird das sich perfekt zwischen Midtempo-Groovern und angepunkten Uptempo-Stücken austarierte Album mit Baldis üblichem Hang zum Songtext-Mantra – nur jetzt eben in etwas positiver. “I’d Get Along” besteht etwa nur aus den beiden Textzeilen “If something would happen with me” und “I’d get along” und brennt sich bis zum Frühstücksmüsli am nächsten Morgen in den Gehirnwindungen ein. Mit “Oh, I have some thoughts/ Oh, I have some dreams/ But I need to be happy/ With what I’ve got in front of me” aus dem Titelsong mit seinem perfekt angetäuschten Cyber-Synthie-Intro liefern Cloud Nothings einen angenehm entschleunigten Gegenentwurf zur heutigen Leistungsgesellschaft frei Haus. Nach vorne gucken eben, aber auch mit dem zufrieden sein, was man hat. “Es geht darum, sich im Hier und Jetzt okay zu fühlen”, sagt Baldi selbst über den thematischen Überbau der Platte. Nicht um Rockstartum und den großen Erfolg, sondern darum, mit sich selbst im Reinen zu sein. Und das ist heutzutage mehr wert denn je.
Das steckt drin:
Superchunk – “Majesty Shredding” (2010, Merge)
Superchunk waren auch schon in den 90ern nicht so krachig-kompromisslos wie viele ihrer Zeitgenoss:innen. Aber das Händchen für Gute-Laune-Power-Pop, gehüllt in crunchigen Indierock haben sie erst in ihrer Spätphase perfektioniert – und Cloud Nothings sind mit “Final Summer” auf dem besten Weg dorthin.
Weezer – “Pinkerton” (1996, DGC)
Mittlerweile wird das zweite Album von Weezer zurecht aufgrund fragwürdiger Textpassagen kritischer beäugt. Musikalisch ist es trotzdem sowas wie der ältere Bruder von “Final Summer”, weil Weezer hier zum letzten Mal so richtig krachig sind und trotzdem ein Händchen für Melodie beweisen. Dylan Baldi bleibt trotz positiver Botschaften im Herzen eben immer ein bisschen Emo.
Hüsker Dü – “Candy Apple Grey” (1986, Warner)
Hüsker Dü waren schon Indierock und Alternative, bevor die jeweiligen Genres salonfähig wurden. Den leichten Twang, die übereinander geschichteten Gitarren, durch die kein Blatt Seidenpapier passt, und ab und an auch die Verkürzung der Texte auf schmissige Slogans aus den Tiefen der Psyche von Sänger und Gitarrist Bob Mould – all das gibt es auch auf “Final Summer” zuhauf.
Zweitstimmen:
Nicola Drilling: “Dass Cloud Nothings über die Jahre leider eher an Qualität verloren haben, ist spätestens seit “The Shadow I Remember” (2019) bekannt. So uninteressant und eintönig wie auf “Final Summer” klangen sie aber noch nie. Schade, dabei sind die Ansätze so gut.“
Dennis Plauk: “Die Cloud-Nothing-Festwochen bei VISIONS sind über zehn Jahre her, und wenn ich ehrlich bin, war ich froh, dass sich der Hype etwas gelegt hatte. Nach ihrem Debüt und “Attack On Memory” kam kein Album mehr, dass Indierock mit so viel Dringlichkeit und Spaß am Lärm bot. Bis jetzt. Was für ein Comeback!”
weitere Platten
The Shadow I Remember
VÖ: 26.02.2021
Life Is Only One Event
VÖ: 04.12.2020
The Black Hole Understands
VÖ: 03.07.2020
Last Building Burning
VÖ: 19.10.2018
Life Without Sound
VÖ: 27.01.2017
No Life For Me (mit Wavves)
VÖ: 05.12.2015
Here And Nowhere Else
VÖ: 28.03.2014
Attack On Memory
VÖ: 10.02.2012
Cloud Nothings
VÖ: 25.01.2011
Turning On
VÖ: 22.10.2010