Die Zeit der Stilsuche scheint für den Grantler mit dem großen Herz vorerst vorbei zu sein. Hatte der Freischwimmerpass “Chrom” (2014) noch nach strammgezogenem Sweetwater-Upate geklungen und Fingerübungen wie Dreiklangdimensionen oder “Treue Herzen” nach einem, der auszog, das Lachen zu lernen, ist jetzt, vier Jahre später, alles an seinem Platz. Die Gewichtsverteilung zwischen Härte und Ironie, Emotionen und Hosenflatter-Attacken ist vollends austariert. Der Vorbote Mexikanische Lieder hatte schon vom dickeren Hardrock-Pfund gekündet, mit dem Nachfolger Fehmarn ging der kontemplative Blick des Mannes von der Kieler Küste wieder übers Meer. Überhaupt: Gefühle wie Wehmut und Melancholie, der Spagat zwischen Heimweh und Hendrix, bleiben unterschwellig die Hauptthemen von Cohen, kombiniert mit im besten Sinn naiv gemalten Verweisbildern, in denen der deutsche Herbst und Hendrix, Manfred Krug, Bahnhof Zoo und Holstein Kiel nebeneinander Platz finden. Dass das funktioniert, ist nicht zuletzt auf Cohens Umgang mit Text zurückzuführen. Mal ist es der Sturm und Drang des jungen Udo Lindenberg, dann eine Art Straßenlyrik, die bedenkenlos so unterschiedliche Köpfe wie Frank Z., Gunter Gabriel und Rio Reiser unter einen Hut bringt. Den Deckel macht das musikalische Rückgrat drauf: Die Bass-Schlagzeug-Achse Greif/Fabst läuft eh wie von selbst und Gitarrist Jan Späth, der Licks ebenso beherrscht wie schmatzende Breitwand-Riffs, bezieht spätestens mit Spur der Steine ein Zimmer auf derselben Etage wie Billy Duffy. Rollt, das Ding.
weitere Platten
True Blue
VÖ: 31.03.2023
Northern Soul
VÖ: 26.02.2021
Live aus der Vergangenheit
VÖ: 22.11.2019
Weisses Rauschen
VÖ: 15.01.2016
Nostalgie für die Zukunft
VÖ: 24.01.2014