Eine weitere Fred Durst-Entdeckung macht sich auf den Weg, sich von ihrem Förderer zu emanzipieren. Colds drittes Album ist kommerziell und ehrlich zugleich. Ein Widerspruch in sich? Nicht im Geringsten. Während sich die ersten beiden Alben nicht wirklich von üblichen New-Metal-Klischees abhoben, gehen Cold denselben Weg wie seinerzeit Staind: Sie haben erkannt, dass sie mit Scooter Ward einen Sänger in ihren Reihen haben, der im Stande ist, Botschaften glaubwürdig zu vermitteln. Auf “Year Of The Spider” verarbeitet Ward textlich diverse Familientragödien, und so ist dieses Album ein grundehrliches Statement. Die Einflüsse der Band aus Jacksonville, Florida, sind nicht von den Hand zu weisen: eine moderne Mischung aus Alice In Chains, Staind, Bush und vielleicht noch Tool. Eine Schnittmenge also, die nicht neu, aber sehr gut umgesetzt ist. Es wundert daher auch nicht, dass Cold auf “Suffocate” mit einer weiblichen Sängerin (Sierra Swan von Dollshead) und auf der Single “Stupid Girl” mit Weezers River Cuomo zusammenarbeiten. Das macht genauso viel Sinn wie der Grunge-Abgesang “The Day Seattle Died”. Um es kurz und knapp auf den Punkt zu bringen: So abwechslungsreich hätte eigentlich das letzte Staind-Album klingen sollen.
Jörg Staude 10
Vielleicht bin ich ja herzlos, aber die penetrante Emotionalität dieser Band erinnert einfach stark an aufgeblasene Posen, vgl. Scott Stapp wie er mit “Arms Wide Open” den Adler in seinem Horst willkommen heißt.
Weinerlichkeit is the new loud, oder was? Was das Songwriting dieser Band betrifft, mag man ihnen ja noch einen kleinen Funken Abwechslungsreichtum innerhalb des Albums bescheinigen. Das Problem ist nur, dass die Songs an sich ohne Höhen und Tiefen vor sich hinplätschern. Und damit ist nicht eine halbgare, standardisierte ‘Intensitätssteigerung’ gemeint, wie sie u.a. beim balladesken Pathos-Quälgeist “Cure My Tragedy (A Letter To God)” (allein der Titel schreit nach einem Exorzisten) zum Einsatz kommt. Nein, Dynamik schreibt man anders. Auch sehr ergreifend, wie Sänger Scooter seine verlorenen Jahre (“Wasted Years”) oder den Tod Cobains bzw. den Niedergang der ehemaligen Grunge-Metropole (“The Day Seattle Died”) bejammert. Und mutig sind die Jungs obendrein: Den letzten Song dieses Meilensteins des Gähn-Rocks haben sie bei den Lyrics im Booklet mit “Kill The Fucking Music Industry” (hey Cold, don’t bite the hand that feeds!) überschrieben, während auf der CD-Rückseite das böse F-Wort seltsamerweise fehlt. Kann man aber auch verstehen, schließlich kauft ein Großteil der Cold-Zielgruppe ihre Musik sicherlich bei der zensurfreudigen Wal-Mart-Kette.
Dirk Siepe 4
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