Colin Stetson
New History Warfare Vol. 3 - To See More Light
Text: Carsten Sandkämper
Colin Stetsons Kunst ist seine Atemtechnik. Der Mann mit eingebauter Zirkulationsatmung, einem Saxofon und diversen wohldosierten Effekten fordert in Teil drei seiner “New History Warfare”-Reihe erneut zur Auseinandersetzung mit eingefahrenen Hörgewohnheiten. Rhythmen durch Klappengeräusche, rastlose Arpeggios und simultan gesungene Melodien schichten sich zu tatsächlichen Songs. Das ganze zelebriert Stetson ohne Overdubs, also durch den Verzicht auf Mehrspuraufnahme-Technik. So ganz kann man das eigentlich nicht glauben. Und an ein paar Stellen hat er dann auch tatsächlich mit dem Gastvokalisten Justin Vernon (Bon Iver) geschummelt, gewinnend und souverän. Stetson ist abgesehen von seiner musikalischen Brillanz ein toller Songwriter, der es schafft, zwischen klassischem Minimalismus, Blues und einer Art technoidem Ambient zu vermitteln. Ungemein atmosphärisch, dynamisch und leidenschaftlich nimmt er den Hörer mit auf bis zu 15-minütige atemlose Klangreisen (absolut fantastisch: “To See More Light”), in denen sich sachliche Begriffe wie Modulation oder Crescendi mitsamt dem Zeitgefühl in einer Art schamanischer Trance auflösen – immer vorausgesetzt, man lässt sich auf die Nonstop-Herausforderung eines Solo-Saxofons ein. Stetson hat den Blick für nachvollziehbare Strukturen. Seine Songs steigern sich, verlaufen hier und da wie Popsongs und enden mitunter wie Rocksongs. So schlägt er in Personalunion obendrein eine Brücke zwischen Folk, Jazz und Pop. Mehr geht nicht.