Courtney Barnett
MTV Unplugged (Live In Melbourne)
Text: Juliane Kehr
Zu ihrer bereits bekannten, zweiköpfigen Band addiert die Singer/Songwriterin lediglich die Cellistin Lucy Waldron für das feine Vibrato zwischen den Zeilen und
wählt sorgfältig acht Songs aus, die nicht nur einen Querschnitt durch ihre Karriere, sondern auch eine Hommage an ihr Heimatland Australien sind. Opener des Live-
Albums, dessen zugehöriges Konzert am 22. Oktober vergangenen Jahres in Melbourne stattfand, ist “Depreston”, das Barnett zunächst allein und nur mit Gitarrenbegleitung eröffnet, um Band und Cello im hinteren Teil des Songs Raum zu lassen. Es bleibt der einzige Song an diesem Abend, der “Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit” entstammt, dem Album, das Barnett vor fünf Jahren den Rang der schulterzuckenden, schlagfertigen Stimme ihrer Generation einbrachte. Ohne zu verharren, schlägt die 31-Jährige den Bogen zu “Sunday Roast” vom Folgealbum “Tell Me How You Really Feel” und plötzlich erscheint nicht länger die strubbelköpfige Slackerin vor dem inneren Auge, sondern Neil Young und Bob Dylan zu früheren Zeiten auf ähnlich kargen Bühnen und niemand anderem verpflichtet, als den Songs, die sie vor sich ausbreiteten. Dazu passt das folgende Archie-Roach-Cover “Charcoal Lane”, für das sich Barnett Landsmann und Vorbild Paul Kelly auf die Bühne holt, um eine ganz neue Bedeutungsebene zu öffnen: Roach, Aborigine-Kind der sogenannten gestohlenen Generation, verarbeitet seine Geschichte in seiner Musik, Barnett und Kelly gelingt der ehrfürchtige Umgang mit diesem persönlichen Material mithilfe von zweistimmigem Gesang und Mundharmonika hervorragend. Ebenfalls Gänsehaut liefert die Klavierversion von “Nameless, Faceless” unterstützt durch Gastmusikerin Evelyn Ida Morris, die den Song vom Midtempo-Rocker in eine düstere Ballade verwandelt. Das bisher unveröffentlichte “Untitled (Play It On Repeat)” greift die melancholisch gefärbte Stimmung auf und macht den Weg frei für das Seeker-Lover-Keeper-Cover “Not Only I” mit dem neuseeländischen Singer/Songwriter und dritten Gastmusiker des Abends Marlon Williams an Gitarre und Gesang. Wenn die Platte nach sieben Songs mit Leonard Cohens “So Long, Marianne” endet, beschließt Barnett damit eine runde Akustikshow, die nichts als die Musik in den Mittelpunkt rückt, mit einem weiteren Highlight. Einziges kleines Manko dieses Live-Albums ist seine Kurzweil: zwei, drei Songs mehr hätten es schon sein dürfen.
weitere Platten
End Of The Day (Music From The Film Anonymous Club)
VÖ: 08.09.2023
Things Take Time, Take Time
VÖ: 12.11.2021
Tell Me How You Really Feel
VÖ: 18.05.2018
Lotta Sea Lice (mit Kurt Vile)
VÖ: 13.10.2017
Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit
VÖ: 20.03.2015
The Double EP: A Sea Of Split Peas
VÖ: 06.06.2014