Seattle ist tot, es lebe Talahasse, Florida? Tatsächlich sind gewisse Parallelen gerade zu Alice In Chains und der Stimme Ed Vedders nicht zu überhören, aber in ihrem stark ausgeprägten Hang zum Metal-Gitarrensound und theatralischen Vocals stehen auch Tool und Life Of Agony schnell als Vergleich parat, der – was die Atmosphäre des Albums betrifft – sogar passender erscheint. Nur gelegentlich setzt sich Seattle-Fan Scott Stapp soweit durch, daß neben seinem Gesang auch die Gitarre Mark Tremontis eher an Pearl Jam als an dessen Metal-Roots erinnert (“Sister”, “What’s This Life For”). Die Lücke, die die dahinsiechenden Helden der frühen Neunziger in der Musiklandschaft hinterlassen haben, ist unübersehbar, und der Erfolg Creeds bestätigt die Vermutung, daß der Bedarf nach derartiger Stilistik nach wie vor da ist. Bleibt die Frage, ob hier qualitativ überhaupt Ebenbürtiges geliefert werden kann. Creed sind gut, soviel sei vorangestellt. Die Songs, zumeist von kräftig groovenden Donner-Riffs dominiert und mit inbrünstig intonierten Befreiungsrefrains aufgelöst, funktionieren, sind eingängig und für das Material eines Debüts über die gesamte Länge des Albums erstaunlich solide. Die Tiefe und die abwechslungsreich inszenierte Emotionalität der Vorbilder erreicht “My Own Prison” aber vielleicht gerade wegen dieser Eingängigkeit noch nicht ganz – das unterscheidet eben ein sehr gutes Album von einem Klassiker. Aber wer weiß, ob die Jungs den nicht schon längst in Arbeit haben?