Unbequeme Zeiten fördern unbequeme Alben zutage. Schon lange haben sich die Zeiten nicht mehr so unbequem angefühlt wie im Spätsommer 2018. Während in Deutschland ernsthaft diskutiert wird, was im Wortsinn eine Hetzjagd ist und was nicht, sehen sich die USA tagtäglich mit dem blanken Wahnsinn an der Spitze ihrer Regierung konfrontiert. So ernüchternd und beängstigend das auch sein mag, so wunderbar sind manche Dinge, die durch soziale und politische Spannungen entstehen. Zusammenhalt wäre etwa eine Sache. Ein neues Cursive-Album nach sechsjähriger Abstinenz eine andere. “Vitriola” bündelt all die Politikverdrossenheit, Angst und Aggression der vergangenen Jahre, um darin einen Sinn zu finden. Schon Kashers Weggefährte Conor Oberst hatte 2015 mit seinen Desaparecidos ein wütendes Zeichen gegen Rassismus, Kapitalismus und Gier gesetzt. Cursive ziehen im gleichen Tonfall nach und wettern nicht weniger erbittert gegen das oberste Prozent der Mächtigen, das Feindbild im Weißen Haus und offenen Hass gegen Minderheiten. Durch die marschierend-schrägen Riffs schlängeln sich Kashers hervorragende Gesangsmelodien, die zum Zuhören zwingen und deren Texte Unmengen an würdigen Zitaten liefern. Mit Megan Siebe ist außerdem die erste Cellistin seit 2003 auf einer Cursive-Platte zu hören. Hoffnung schimmert nur selten durch die düstere Wolkendecke von Kashers Weltbild, aber immerhin will sich hier niemand komplett aufgeben. Schließlich geht es immer irgendwie weiter, solange es Menschen gibt, die sich gegen das Unheil stemmen.
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