Dashboard Confessional
A Mark, A Mission, A Brand, A Scar
Text: Ingo Neumayer
Verflucht sei sie, die deutsche Sprache: “He wears his heart on his sleeve” ist als feststehender Begriff in jeder englischen Dashboard Confessional-Rezension zu finden, und das vollkommen zu Recht. Die Langenscheidt-Übersetzung behilft sich mit einem hölzernen “das Herz auf der Zunge tragen”, was bei weitem nicht dasselbe ist, steht die Zunge doch als aktives Werkzeug für Geschwätzigkeit, für eine große Offenheit im Präsentieren von Herzensangelegenheiten, die oftmals ins Übertriebene zu gleiten droht. Vielleicht liegt in dieser sprachlichen Feinheit auch der Unterschied zwischen den USA und hier, den auch Chris Carraba im Herbst bei seiner ersten Deutschland-Tour erleben wird: Denn in seiner Heimat hat der Ex-Further Seems Forever-Sänger Platinstatus und Tausende von (man muss sie so nennen) Jüngern, die Abend für Abend seine Texte Wort für Wort mitsingen. Und genau das macht das Phänomen Dashboard Confessional aus: die Texte. Es geht um Frauen, die gehen, aber bleiben sollen. Und manchmal auch um Frauen die bleiben, aber gehen sollen. Aber immer sind Enttäuschung und Verlust das Thema, mal stehen sie kurz bevor, mal sind sie gerade erlitten worden. Chris Carraba als Identifikationsfigur ist die Antithese zu Fred Durst, der auf die Fragen seiner jugendlichen Zuhörer lediglich die Antworten Wut und Aggression liefert, und es kann kein Zufall sein, dass das Ende der New-Metal-Blütezeit und der Beginn von Carrabas Herrschaft über die Colleges des Landes zusammenfallen. Musikalisch bleibt erfreut festzustellen, dass Dashboard Confessional deutlich an Dynamik gewonnen haben. Die Songs wirken nicht mehr so stark wie herkömmliche Emo-Nummern, denen man im Studio den Stecker rausgezogen hat. Exemplarisch deutlich wird dies beim Opener “Hands Down”, einem Song, den es in der Skelett-Variante schon vor zwei Jahren auf der “So Impossible”-EP gab, der aber durch die jetzige, sozusagen fleischliche Instrumentierung deutlich an Konturen und Charakter gewinnt. Chris Carraba, das merkt man “A Mark…” deutlich an, hat auch musikalisch seinen Stil gefunden, jetzt muss er nur aufpassen, dass seine Art nicht zur Masche wird. Das ist nämlich die Gefahr, wenn mein sein Herz auf der Zunge, Verzeihung: on his sleeve trägt.
weitere Platten
All The Truth That I Can Tell
VÖ: 25.02.2022
The Best Ones Of The Best Ones
VÖ: 31.01.2020
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Alter The Ending
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Dusk And Summer
VÖ: 17.08.2007
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VÖ: 26.05.2003
The Places You Have Come To Fear The Most
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So Impossible
VÖ: 01.01.1900