Days In Grief
Behind The Curtain Of A Modern Tomorrow
Text: Sascha Krüger / Oliver Uschmann
Es ist eine undankbare Aufgabe, diesen vier jungen Kölnern mit ihrem fraglos ambitionierten zweiten regulären Album ordentlich vor den Karren zu pissen – und doch: Wer Ambition mit Überzeugungskraft sowie Quantität der Songparts mit Qualität des Gesamtkonzeptes verwechselt, verdient einen kleinen Dämpfer. Klar ist erst mal: Sie bedienen das mittlerweile inflationär dicht besetzte Screamo-Punk-Metalcore-Genre mit einem präzise auf die Bedürfnisse dieser Szene abgestimmten Album. Von allen vorgenannten Elementen bietet es mehr als genug, ja – und das ist der Knackpunkt – geradezu viel zu viel: Orales Kreischen und Kotzen, Stakkato- und Metal-Riffs, präzises Doublebass-Drumming, zwischendurch die Emo-Keule mit dutzendmal gehörten Schwulst-Melodien. Alles prima, alles toll. Und doch verhält sich dieses Album wie weißes Rauschen: Es ist da und doch nicht. Es fließt durch, ohne auch nur einen Moment ernsthaft hängen zu bleiben. Es ist, mit einem Wort: egal. Nicht falsch verstehen: Nichts ist verwerflich daran, mitten in einer klar umrissenen, in sich geschlossenen und damit aber auch betriebsblinden Szene punktgenau zu landen. Nur darf man sich dann nicht wundern, wenn jeder, der dem Bauchnabelpiercing-Alter entwachsen ist, absolut nichts mehr mit dieser Musik anzufangen weiß.
Sascha Krüger – 5
Slayer-und Maiden-Riffs, Double-Bass, Feuer aus allen Rohren. Dann Melodien, Breaks, hymnischer Gesang, dramatisch und klar. Flirrende Gitarrenmelodien wie kurzer Sonnenschein, der in Kriegswirren auf verschwitzte Gesichter fällt. Romantik und Gewalt, Handwerk und Präzision, Kampf auf der “guten Seite”, auf der auch Vorbilder wie Strike Anywhere oder Rage Against The Machine schon gegen die “Economic Tyranny” ins Feld zogen. Allerdings auch kritische Worte zur “Political Correctness” und zum “Jihad”, der von westlichen Gutmenschen gerne als Selbstverteidigung verniedlicht wird. Das ist Jungsmusik. Aufpeitschmoment für Demos, Begeisterung für gekonntes Zocken, Melodien für Millionen, denen die alte Schule des Hardcore zu spröde, reiner Metal zu derb und purer Melodypunk zu zuckerig ist. Großes Kino mit beschwörenden Gesangspassagen, die Fear Factory seit “Obsolete” nicht mehr hinbekommen haben, dezenten Pianoschnörkeln und pathetischen Zeilen wie “One day my kids will ask me / what have you done?” Ironiefrei und angreifbar. “Unite-Oppose-Create.” Die euphorische Inszenierung der Gegenwart als Kriegsschauplatz. Ein Ästhetik des Widerstands, die nichts mehr mit den Selbstzweifeln und der Agenda des Ur-Punk- und Hardcore zu tun hat, sondern knallt und unterhält wie eine Schießerei bei Matrix. Wer lieber Neo als Crass ist, muss das lieben.
Oliver Uschmann – 10
weitere Platten
dto.
VÖ: 01.01.2008
Portrait Of Beauty
VÖ: 29.03.2004