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    Dead Pioneers
    Dead Pioneers

    VÖ: 09.08.2024 | Label: Hassle
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 377
    Schönheit
    Dead Pioneers - Dead Pioneers

    Ob amerikanische Ureinwohner nun die ersten Punks waren, wie Dead Pioneers in den Raum werfen, oder nicht – was Sänger Gregg Deal über den stereotypen Umgang mit Indigenen zu sagen hat, bildet das eindrücklichste Manifest, das eine Hardcore-Band in den vergangenen Jahren abgeliefert hat.

    Dabei liegt die Betonung auf Sagen, denn über weite Strecken dieses nur rund 22-minütigen Debütalbums nutzt Deal die Pausen zwischen dem wildgewordenen Old-School-Hardcore-Geprügel seiner Bandkollegen für Spoken-Word-Ansprachen, die er sonst wohl eher bei einem seiner Bühnenprogramme oder einer Rede zu indigener Identität, Stereotypen und Dekolonisierung hält.

    Mit den “versehentlich” gegründeten Dead Pioneers als Vehikel fallen diese aber nun deutlicher provokanter aus und hinterlassen durch den bitteren Wortwitz ein erstaunlich dumpfes Gefühl, das tiefer trifft als jede Aufklärungsarbeit. So etwa im halbminütigenMoving Day”: “The history books make Indian removal sound like an elaborate moving day/ Signing treaties like signing a lease on the crappiest apartment in town/ We are the middle child of America/ If we were the Brady Bunch, wed be Jan Brady. Input hat Deal genug: Er ist Teil des Stammes der Pyramid Lake Paiute aus der Wüste Nevadas und hatte als Teenager beinahe täglich mit Rassismus, einem Gefühl der Entfremdung und Ethnoklischees zu kämpfen.

    Seinen Seelenfrieden fand er damals in Punk, HipHop und im Skateboarding, später dann in visueller Kunst, in der er sich explizit seiner Identität annimmt und sich etwa für die Umbenennung von US-Sportteams und deren Maskottchen einsetzt. Wohl eher durch eine glückliche Fügung des Schicksals und Bassist Lee Tesche von den ebenfalls antikolonialistischen Algiers angestoßen, lässt er nun auch in der Musik seinem Furor gegen die Unterdrückung freien Lauf – mit einer ähnlich pochenden Halsschlagader wie Henry Rollins.

    Zwischen passend gewählten Covern von Minutemen (“The Punchline”) und Cirlce Jerks (“World Up My Ass”) hinterlässt “Bad Indian” wohl den nachhaltigsten Eindruck, wenn Deal Alltagsrassismus, Johnny Depp in “Lone Ranger” (2013) und seiner eigenen unterdrückten Wut darüber den Garaus macht: “Sure, millions of Indians died, but tell me about your feelings/ And cry your white tears.”

    Die große Kunst bei seiner beißenden Anklage: Alle weiteren Minderheiten mitnehmen, denn “No one’s illegal on stolen land” und sich durch den nötigen Galgenhumor nicht zum Moralprediger aufzuspielen. Mit der Vinylveröffentlichung ihres Debüts von 2023 können sich Dead Pioneers wohl bald vom Geheimtippstatus frei machen – verdient hätten sie es. 

    Das steckt drin: Algiers, Circle Jerks, Henry Rollins