Dear Diary
How To Become A Ghost
Text: Steffen Eisentraut
Stellen wir zuerst die Frage, was es im Verständnis der Band bedeutet, ein Geist zu werden. Ein Blick ins Textbook liefert Hinweise: Beziehungsende, die anschließende innere Leere und das Gefühl des Alleinseins. Solch unschöne Dinge haben die Gedankenwelt von Sänger und Texter Dennis Kühn beim Schreiben bestimmt. “My nights bleed so cold – as cold as I can’t feel / My dreams bleed so dark – as dark as I can’t see heißt es bitter in “Green Caps Are Dead Now. Bei so viel vertontem Trennungsschmerz darf natürlich auch der Anrufbeantworter am Schluss nicht fehlen, auf dem die Ex ihren letzten Anruf hinterlässt. Ein bisschen zu viel des Klischees, was das Gießener Quartett hier bemüht. Dabei gibt es musikalisch nicht viel zu meckern: Hier trifft alte Emo-Schule (Texas Is The Reason) auf neuere Genre-Helden (Thursday) ohne Geschrei. Nicht so überproduziert und aufgesetzt wie viele amerikanische Kollegen, sondern angenehm erdig und ungeschliffen, was sicher auch der Arbeit von Guido Lucas und seinen BluBox-Studios zu verdanken ist. Authentisch? Ja. Handwerklich gut gemacht? Ebenso. Trotzdem krankt die Platte an Überraschungsarmut, denn jeder Gitarrenakkord scheint in Zeiten des Emo-Überdrusses tausendmal gehört, jede Zeile tausendmal gesungen. So beschränken sich Dear Diary auf das Zelebrieren von Dagewesenem, das Bewahren des Status Quo. Sie sollten nur aufpassen, dass sie damit nicht selbst zu einem Geist werden, den keiner mehr wahrnimmt.