Death From Above 1979
The Physical World
Text: Christian Wiensgol
Der Einschlag, den “Youre A Woman, Im A Machine” 2004 auf den Tanzflächen hinterließ, war auch zu schön um wahr zu sein. Ein Jahr später kamen Sebastien Grainger und Jesse F. Keeler nicht mehr auf einen Nenner. Ein weiteres Jahr danach wurde die Trennung offiziell. Aus der Traum vom Liebesglück zwischen Disko und Punk. Die Ehe schien einfach zu wild. Was blieb, waren ein paar Remixe, teils von Keelers Elektroduo MSTRKRFT, und neue Projekte von Grainger, die entweder wie die Indie-Version (Sebastien Grainger & The Mountains) oder die Club-Version (Sebastien Grainger solo) von Death From Above 1979 klangen. Allesamt entdeckenswerte Nebenschauplätze, denen nur eins fehlte: Der Arschtritt, der zustande kommt, wenn Bass und Schlagzeug lauter als eine komplette Rockbandbesetzung sein wollen.
“The Physical World” klingt nun als hätte es die letzte Dekade nie gegeben. Ohne die Geschichten um Zerwürfnis und Versöhnung wäre es schlicht das sehr gelungene zweite Album eines außergewöhnlichen Duos. Grainger trommelt hier einen Disko- und da einen Punkbeat, meistens aber beides gleichzeitig. Keeler gibt den Rhythmus-, Lead- und Bass-Gitarristen in Personalunion. Dazu ein paar Synthies und über allem Graingers tatsächlich ziemlich einzigartiger Gesang zwischen sexy und aufdringlich. Fertig ist ein Album, das wieder den Spagat zwischen Simplizität und Haltbarkeit ohne Anbiederung schafft. Dass die Entstehung nicht so leichtfüßig und simpel war, wie die Songs nun klingen, machten letzten Sommer die Festivalabsagen aufgrund von “unerwarteten Schwierigkeiten” beim Schreiben deutlich. Ein Vorwurf kann dem Duo daraus sicher nicht gemacht werden. Die Kanadier haben sich zusammengerauft und so lange an ihrem alten Baby gesessen, bis es einem zweiten Album würdig war und ihre rüsseligen Antlitze von neuem Glanz erstrahlen.
Warum es überhaupt zur Reunion kam? Nebensächlich. The Physical World hat elf Argumente dafür, dass herzlich egal ist, ob es ums liebe Geld oder falsche Nostalgie ging. Garagen-Dance-Punk soll schließlich nicht authentisch, sondern schweißtreibend sein. Garanten dafür gibt es unzählige. “Cheap Talk” entfacht mit Synthie-Flackern und hibbeligem Beat gleich zu Beginn das erhoffte Feuerwerk, das nicht zuletzt dank Kuhglockeneinsatz dem alten Namensrechtrivalen LCD Soundsystem nahe kommt. Es geht Schlag auf Schlag weiter: “Right On, Frankenstein!” kommt mit der Punkrock-Keule daher und Virgins ist genau die Art hittiger Heavy-Blues-Rock, der Jack White seit Seven Nation Army zuwider ist, mit einem Zwischenteil, der schön funky an das fast vergessene Wahnsinnsdebüt von Head Automatica erinnert. Bloc Party in unverkopft und ungestüm wäre eine weitere, passende Referenz. Doch vor allem klingt The Physical World unverwechselbar nach Death From Above 1979 und kein bisschen nach zwei Typen, die zwanghaft an alte Glanztaten anknüpfen wollen. Die Tanzflächen werden es ihnen mit weitaus mehr als nur respektvollem Kopfnicken danken. Und jetzt bitte weitermachen.
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