Diiv
Frog In Boiling Water
Text: Florian Zandt / Martin Iordanidis | Erschienen in: VISIONS Nr. 375
Schaurig schön und wunderbar wabernd: Die fünf Jahre Wartezeit auf die neue Diiv-Platte haben sich gelohnt.
Wenn man die musikalische Flugbahn des Shoegaze-Quartetts auf einem Flipchart festhalten würde, müsste man für “Frog In Boiling Water” ein weiteres Stück Papier antackern –nicht oben, sondern unten. Schon auf dem Vorgänger “Deceiver” standen die Töne länger und schmutziger im Raum.
Auf ihrer neuen Platte sind Diiv endgültig mehr Slowcore als Dreampop, auch wenn sie den gröbsten Sand wieder aus dem Sound-Getriebe gefegt haben. Textlich steigt die Band um Gitarrist und Sänger Zachary Cole Smith auf “In Amber” mit dem Mantra-artigen “I want to disappear” düster ein, was zur Thematik der Platte passt, die sich um den Zerfall der Welt durch den ungebremsten Turbokapitalismus dreht. Trotzdem rasen Diiv nicht wie vielleicht erwartet mit 180 Sachen auf den Abgrund zu, sondern schlingern im zweiten Gang von links nach rechts.
Das klingt mal verschachtelt-krachig wie im Titelsong, mal auf Akustikgitarre und geisterhafte Sounds im Hintergrund reduziert wie in “Everyone Out”. Theoretisch könnte “Frog In Boiling Water” mehr Varianz vertragen. Aber zum Bild eines die Welt langsam ins Nichts saugenden Strudels passt der schlurfige Sound des vierten Diiv-Albums schlicht hervorragend. Florian Zandt
Selten ist eine Band so erfolgreich vor sich selbst weggelaufen wie Diiv auf ihrem beinahe letzten Album.
Mit dem Talent, elektronische und analoge Sounds in einer Druckkammer zu explosiven Gasgemischen anzureichern, hätten Diiv eigentlich das Zeug, einen vom Hocker zu reißen. Und das sagt jemand, der Dreampop und Shoegaze für gesündere Alternativen zu apothekenpflichtigen Hypnotika hält.
Das vierte, nach intensiven bandinternen Zerwürfnissen entstandene Album der Brooklyner klingt dabei ziemlich gut. Produzent Chris Coady hat einen ähnlich guten Job gemacht wie bei Beach House and Blonde Redhead. Diiv selbst scheinen in ihren dahintrottenden Songs aber einem unsichtbaren Stillhalteabkommen zu folgen. Ja nichts riskieren, bloß kein Streit. “Little Birds”, der achte von zehn Songs macht mit einem Anflug von Torschlusspanik bewusst, dass bis hierhin wirklich achtmal dasselbe passiert ist: Midtempo-Drums, traurige New-Wave-Gitarren, ein Zachary Cole Smith, der sich mit dem jungen Billy Corgan Battles in Sachen Problembewusstsein zu liefern scheint.
Erst mit den letzten beiden Songs, “Soul-Net” und “Fender On The Freeway”, öffnet das Quartett seine verschränkten Arme, wagt sich an Rhythmuswechsel, TripHop-Beats und einige dynamische Höhenmeter. Zu spät – da bleibt einem nur noch, gespannt aufs nächste Album zu sein. Martin Iordanidis
Das steckt drin: My Bloody Valentine, Nothing, Slowdive
weitere Platten
Live At The Murmrr Theater
VÖ: 17.11.2022
Deceiver
VÖ: 04.10.2019
Is The Is Are
VÖ: 05.02.2016
Oshin
VÖ: 13.07.2012