Drain
Living Proof
Wenn man Metal mit Hardcore mischt, muss das Amalgam nicht zwangsläufig das sein, was man heute landläufig als Metalcore versteht. In den 80ern gab es bereits eine große Versuchsreihe mit dieser Mischung: Excel, Ludichrist, The Accüsed und etliche andere haben den Begriff “Crossover” etabliert, D.R.I. sogar eine Platte danach benannt, Power Trip, Iron Reagan oder Municipal Waste konnten diesen Spirit im neuen Jahrtausend erfolgreich wiederbeleben.
Drain aus Santa Cruz, Kalifornien heben den Hardcore-Thrash-Metal-Crossover mit ihrem zweiten Album nun auf ein neues Level, indem sie an mehreren Stellschrauben drehen: Zum einen ist es die unverkrampfte, sonnige Attitüde, die in Verbindung mit verkürzten Slayer-Riffs für eine neue Smartness im Genre sorgt. Dann die Effektivität, mit der Drain vorgehen: “Living Proof” funktioniert in etwa so, als würde man das Leeway-Debüt “Born To Expire” nehmen und ihm jegliche aus heutiger Sicht überflüssige Längen und kleinen Holprigkeiten nehmen, seine Stärken destillieren und im knalligen, natürlichen Sound für 2023 aufbereiten.
Der spieltechnische Standard ist seitdem ebenfalls gestiegen, Drain nutzen ihn, um die Songattacken durch allerhand kleine rhythmische Schweinereien interessant zu machen, ohne wie Angeber zu wirken. Die brutale Präzision der Riffs lässt auch an Prong denken oder an eine Youth-Crew-Version von Exodus. Zum unbeschwerten Selbstverständnis der Band passt auch, dass sie als Single ihr recht originalgetreues Cover des Melodycore-Klassikers “Good Good Things” von den Descendents auskoppeln oder ihr Album durch eine gitarrenfreie “Intermission” des Rappers Shakewell aufbrechen.
Drain machen sich locker, sie feiern ihre Luftschutzsirenengitarren und Moshpit-Breakdowns mit kindlicher Freude und pulverisieren damit jeglichen Tough-Guy-Hardcore. Sie sind die Lösung für Menschen, die gerne zu Madball die Sau rauslassen, aber keinen Bock auf deren Geprolle haben. Und “Living Proof” zeigt, ähnlich wie zuletzt Turnstile, wie sich Old-School-Hardcore für eine neue Generation aufbereiten und zukunftsfähig machen lässt, ohne die Gründergeneration zu verprellen.
Nach zehn Songs in rund 25 Minuten blendet der Titelsong mit ein paar schweren Riffs aus, und die Welt wirkt etwas freundlicher – weil Drain es schaffen, ihren positiven Enthusiasmus ohne Reibungsverlust auf Band zu konservieren und den weichherzigen Nerds der Hardcore-Welt eine Heimat zu geben.
Das steckt drin: Gorilla Biscuits, Ludichrist, Power Trip
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California Cursed
VÖ: 10.04.2020