Dry Cleaning
Stumpwork
Text: Ingo Scheel / Jan Schwarzkamp
Das zweite Album bestätigt das Debüt in vollem Umfang und macht zweifelsfrei klar: Dry Cleaning bleiben famos.
So ungewöhnlich, so im besten Sinne schräg war “New Long Leg” vor nicht einmal anderthalb Jahren geraten – es hätte eigentlich auch dabei bleiben können. Stichwort “Novelty Act”, einmal und nie wieder, das Album hätte sich zügig einen Platz in der Geschichte des postmodernen Post-Punk gesucht. Aber Sängerin Florence Shaw und ihre Bandkollegen haben mit derlei Kritikertheorie nichts am Hut und machen einfach weiter, fast wie gehabt. Gleiches Studio, gleicher Produzent, stilistisch jedoch nach allen Seiten etwas offener. “Anna Calls From The Arctic” dampft vor somnambuler Eleganz, hat schwebende Bläser und scheint dort allein zu tanzen, wo auch Baxter Dury sich selbstvergessen um die eigene Achse dreht. “Kwenchy Kups” im Anschluss holt Johnny Marr ins Bett, “No Decent Shoes For Rain” taumelt brüchig wie ein vertonter Tagebuch Eintrag. Stilistisch ist der Mix aus Shaws Sprechgesang und dem unterkühlten Vibe ihrer Band unerhört eigenwillig, dabei durchweg an ziehend. Als würde man zusammen mit Mark E. Smith in einem verrauchten Pub Dalis Uhren beim Schmelzen zusehen. Nichts für Leute mit Waschzwang, wie das Cover nahe legt – hierfür muss man gemacht sein.
9/12 Ingo Scheel
Florence Shaw hängt unangenehm nah am Mikro, ihre Band jangelt und eiert monoton drum herum.
Schon das erste Album enthält diese Sorte Post Post-Punk, wie sie so oder so ähnlich gerade über Gebühr viele Bands spielen. Das ist verständlich, wird dieser Sound ja momentan von allen Seiten hochgejazzt. Dabei passiert meist auch nichts Anderes oder Innovativeres oder Geileres, als es zwischen circa 1979 und 1985 zwischen New York und Düsseldorf der Fall war. Auch nicht bei Dry Cleaning. Um die Checkliste zu erfüllen, muss am Ende von “Hot Penny Day” ein Saxofon tröten. Aber das ist nicht das Schlimmste. Viel unangenehmer ist der dudelnde, leiernd und luschig jangelnde Minimalismus, bei dem Florence Shaw immer ganz nah am Mikro hängt, um irgendeinen Tongue incheek Quark zu murmeln – ordentlich Britisch selbstverständlich. In “Gary Ashby” versucht sie mal zu singen, dann klingt es fast wie wind schiefe Stereolab. In “Driver’s Story” reimt sie “ooze” auf “brew”, ganz genau lässt sich das ohne Textbuch aber nicht dechiffrieren. Es klingt jedenfalls so unangenehm, wie das eklige Cover aussieht. Auf der B-Seite werden die Songs dann zu allem Überfluss immer länger. “No Decent Shoes For Rain” klingt, als hätte der Gitarrist vergessen, zu stimmen. Ist das noch Kunst – oder kann das weg?
3/12 Jan Schwarzkamp
weitere Platten
Swampy EP
VÖ: 01.03.2023
New Long Leg
VÖ: 02.04.2021