Innerhalb weniger Monate schickt ausgerechnet das Traditionslabel Metal Blade nach tollen Alben von The Ocean und Iotunn das dritte Werk ins Rennen, das epischen Sludge mit einer starken Progressive-Metal-Kante anreichert. “Etemen Ænka” von Dvne erscheint mit seinen gerne an die zehn Minuten lang wuchernden Songs, seinen unzähligen Rhythmuswechseln und seinem Verzicht auf sofort erkennbare Refrains zunächst als ziemlicher Brocken. Der hat allerdings keine scharfen Kanten, es gibt wenig Dissonanzen in den monumental geschichteten Riffs, und selbst der bisweilen eingestreute Gutturalgesang hat zwar viel Druck, klingt aber nicht nach Folterkeller. In drastischen Momenten reichen Dvne so fast an eine weniger abgründige Version von Neurosis heran – demgegenüber steht eine erstaunliche Leichtigkeit, die himmelstürmenden Melodien von “Court Of The Matriarch” oder “Si-XIV” lassen an Dredg oder sogar die dänischen Art-Popper Mew denken. Die große Kunst von Dvne besteht aber darin, ihre Songs gleichzeitig nach spontaner Improvisation und nach präzise ausgearbeitetem Handwerk klingen zu lassen. Ein kluger Schachzug war zudem, 2019 noch einen Keyboarder dazu zu holen, dessen Klänge als Kitt unter der Polyrhythmik fungieren. In ihren exzessiven Instrumental-Eruptionen scheinen sogar Motorpsycho oder Elder durch, allerdings ohne deren 70s-Spirit. Dvne klingen nicht nach Hippietum, sondern nach Futurismus, nach Weltraum, in dem man sowohl schwarze Löcher als auch gleißende Sonnenstürme durchquert. Wie Motorpsycho wissen sie aber, dass es kein Laut ohne Leise, kein Hell ohne Dunkel gibt, ihr Gespür für Dynamik ist neben ihren enormen technischen Fähigkeiten ihr großes Faustpfand. Hier schlagen sie sogar die geistesverwandten Mastodon um Längen, ähnliche Zartheit auf einer Sludge-Platte war zuletzt nur auf dem unterschätzten “Mysterium Tremendum”-Album von Lord Dying zu hören. Zwischen den genannten Bands, ergänzt durch die Experimentierfreudigkeit der Russian Circles, der Freundlichkeit von Biffy Clyro zu Puzzle-Zeiten und der Gelassenheit im Spannungsaufbau von Cult Of Luna, könnten Dvne ein enormes Crossover-Potential entwickeln. Lediglich ein paar klarer abgegrenzte Chorus-Melodien würden bei der Orientierung in Songwundern wie “Omega Severer” helfen. So erscheint “Etemen Ænka” wie eine einzige, sich ständig windende und elegant gleitende Komposition, die am Ende mit einem langen Fade-Out in die Traumwelt verschwindet, aus der sie zu kommen scheint.
weitere Platten
Voidkind
VÖ: 19.04.2024
Omega Severer (EP)
VÖ: 06.11.2020
Asheran
VÖ: 28.07.2017
Aurora Majesty (EP)
VÖ: 21.11.2014
Progenitor (EP)
VÖ: 12.12.2013