Eine Oliver Twist Kooperation
Tausend kleine Tänze
Text: Oliver Uschmann
Wenn Punk bedeutet, eine antikapitalistische und libertäre Grundhaltung immer wieder neu und
irritierend zu gestalten, da sie im üblichen “Angry Young Men”-Format längst Teil des Systems geworden
ist, sind Bands wie Von Spar, Trend oder Eine Oliver Twist Kooperation (vormals: Oliver Twist Band) der
Punk der Stunde. Wo Trend allerdings ohne Rockismus straight nach vorne gehen, schlägt diese maximal 14
Köpfe umfassende Formation fiese, anspruchsvolle, verschmitzte Haken. Schon zum Einstieg spucken sie
uns ihre Verachtung für die Rebellionskultur der Gegenwart entgegen: jene Mischung aus roter
“Politfolklore”, “nationalem Befindlichkeits-Schick” und “RAF-Ausstellung”, die substanziellen Protest
so schwer macht. Die Gestaltung des Booklets erinnert an Fluxus-Kunst oder die Notationen des
Avantgardisten Anthony Braxton; liest man die Texte mit, fliegen die Augen kreuz und quer durch eine
Collage. Das Visuelle korrespondiert mit der Musik: schräger, anstrengender Post-Punk-Wave-Wahnsinn mit
dem Übermut des Cabaret Voltaire und Anleihen an den Geist des Free Jazz. Immer einen Schritt voraus:
die hysterische, sich überschlagende Stimme von Mahmoud, die weder Identifikation noch irgendeine Art
von simpel gereckter Faust zulässt. Ob man in ihr auch den überheblichen Spott eines durchaufgeklärten
Linken hört, der hinter all den künstlerischen Kapriolen schlussendlich nur seine Pacht auf Wahrheit
festzurrt, hängt an der Biografie des Hörers. Glücklich dabei, wer ernsthafte Subversion erst hier neu
für sich entdeckt.