Keine andere deutsche Stadt hat sich in den vergangenen 40 Jahren so stark gewandelt wie Berlin. 1980, als sich die Einstürzenden Neubauten gründen, stranden viele in der Stadt, auch weil sie ein Paradies für Wehrdienstverweigerer ist. Ein Satellit mitten in der DDR, durchschnitten vom “antifaschistischen Schutzwall”. “Alles in allem” macht nicht den Fehler, diese untergegangene Stadt nostalgisch zu verklären, aber retrospektiv ist die Platte schon. Auch musikalisch sind sich Einstürzende Neubauten, die die Architektur schon im Namen tragen, nicht zu schade, sich selbst zu zitieren, etwa in “Zivilisatorisches Missgeschick”, wenn N.U. Unruh die Flex am Betonblock ansetzt. Dabei musste die Band im Vorfeld der Produktion erst lernen, dass es inzwischen nahezu unmöglich ist, sich sein Instrumentarium auf einem Schrottplatz zu suchen. Um trotzdem nicht zu viel Herkömmliches benutzen zu müssen, wurden sie wie so oft in ihrer Geschichte erfinderisch. So dienen in “Taschen” etwa Reisetaschen mit Reißverschlüssen, die denen ähnlich sind, in denen viele Geflüchteten ihr Hab und Gut transportieren, als Rhythmusinstrument. Es sind Details wie dieses, die “Alles in Allem” eine von vielen Metaebenen einziehen. Zugleich ist es eine der zugänglichsten Platten der Bandgeschichte, ein Reiseführer für eine Stadt jenseits der Sehenswürdigkeiten, aber voller Widersprüche, aus denen große Kunst entsteht.
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