Im Video zu “Switching Off” vom letzten Elbow-Album “Cast Of Thousands” leuchtet ein Leuchtturm alle drei Sekunden im schwermütigen Heimweh-Takt des Liebesliedes. “Switching Off” war keine Single, Elbow untermalten bereits damals sämtliche ihrer Lieder mit Videos, die in einer Extraversion dem Album als DVD beigelegt wurden. Jetzt, mit “Leaders Of The Free World”, veröffentlicht das Quartett aus Manchester erstmalig eine beidseitig abspielbare CD: Audio auf “A”, Video auf “B”. Schließlich habe man die Songs auch zu den Visualisierungen der befreundeten Bildbastler Soup Collective geschrieben. Elbow, das wird jetzt deutlich, waren kein kurzes Leuchtfeuer auf den Britischen Inseln. Schon wieder bauen sie mit Geduld und Können elf Welten um tolle Songs und eigentlich nur eine Sache: Heimkehr. Denn die kommt im besten Fall nach dem vertonten Heimweh des Vorgängers “Cast Of Thousands”. Die soundverwandten Liebesbriefe “Fugitive Motel” vom alten und “My Very Best” vom neuen Album schlagen die Brücke von der Melancholie zur euphorischen Melancholie. Bereits die Akustikgitarre im Opener “Station Approach” wärmt all die Gedanken, die einem durch den Kopf flattern, wenn das Flugzeug landet, der Bus einbiegt, wenn man aussteigt, in die Arme der Lieben sinkt: “But coming home I feel like I designed these buildings I walk by.” Klare Momente wie diese gibt es öfter auf einer Platte, welche gipfelt in einem fast hochnäsigen Titeltrack. Wie ein trunkener Narr schwadroniert hier die eigentliche Papa Bär-Stimme von Sänger Guy Garvey über die Häupter der Mächtigen: “The leaders of the free world are just little boys throwing stones / And its easy to ignore till theyre knocking on the door of your homes.” Dann ein kratziges Gitarrensolo, dann ein Chorgesang von musikalischen Freunden, und alle fünf marschieren sie drauf los: wohl bedacht, aber wild entschlossen. Aufbruch. Natürlich können nicht alle Songs dieses Level halten. Das bewusst trockene, bassdominierte “Picky Bugger” etwa ist schlicht cool, “The Stops” oder “The Everthere” hingegen zwei sternenklare Liebeslieder. Aber mit ihrer Schlichtheit unterstreichen sie ebenfalls eine Band, die zwar ab und zu an einem Track Monate arbeitet – aber eben nur dann, wenn es der Song verlangt. Elbow sind keine Flächenleger wie die Atmosphärenpäpste Doves, sie sind keine stoischen Hymnensucher wie Oasis, Elbow sind aufopferungsvoll, grenzenlos, versiert. Elbow sind Künstler. Eine fragile Emotionsbombe wie “Switching Off” gibt es diesmal nicht. Wie aber auch, wenn man jetzt selbst sendet aus jenem Leuchtturm, den man kürzlich noch so herbeisehnte. Das schönste Signal aus Manchester seit Jahren.
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