Sieben Lieder, 60 Minuten brauchen sie dazu. Schon die nüchternen Zahlen klingen nach einem großen und immens wichtigen Anliegen, das Envy mitgebracht haben. Allerdings versteckt sich hinter den Eckdaten keine riesige Fülle von Ideen, die eine überambitionierte Band in dieses eine Format hineinzwängen will. Es ist der Raum, den sich Envy nach über zehn Jahren Bandgeschichte wie selbstverständlich nehmen, um ihren flächigen Songs die Umgebung zu schenken, in der sie am besten klingen. Im fruchtbaren Umfeld von Mogwai oder Explosions In The Sky schwimmen Envy und bilden mit ihrer Sehsucht nach Weite eine weitere Baustelle in der stetig wachsenden Kluft zwischen dem Laut und dem Leise. Fast immer in getragenem Tempo und mit viel Klangraum arbeiten sie sich im Kollektiv Stück für Stück auf immer neue Lärmgipfel zu. Und man ist schnell mittendrin, ganz nah bei ihnen. Man genießt den Platz, den man in dieser Platte hat, und schnell hat man vergessen, wo man sich eigentlich gerade befindet. Moment, bestimmt in Song Nummer…? Denn Envy sammeln keine Eckpunkte. Nicht ein einziges markantes Riff gibt es, nicht einmal eine eigenständige Gesangslinie bieten sie. Stattdessen rieseln sanfte Pickings vor sich hin, verwandeln sich in sehnsüchtige Akkordfolgen. Die schrabbeln sich dann so lange in Ekstase, bis der kollektive Ausraster unvermeidlich ist und der anfangs noch flüsternde Sänger Tetsuya Fukagawa schreit, als sei es dieses Mal nun aber wirklich sein allerletztes Mal. Jedes einzelne Mal. Fast monoton schreit er in seiner Verzweiflung und unverständlich. Denn die Texte sind natürlich auf Japanisch. Doch auch wenn man kein einziges Wort wirklich versteht, kann man es nicht übersehen: Envy geht es um die Emotionen Verzweiflung, Wut, Hoffnung und Trauer. Die englischen Übersetzungen der malerischen Texte stehen praktischerweise im Artwork einer Platte, deren zwielichtiges Cover symptomatisch ist für die dunkle, verschwommene, luftige, fast pathetische Miniwelt, die sich Envy um sich heraum gebaut haben. Mal schlägt die rohe Gewalt hinterrücks zu, mal wächst sie einfach aus den Elementen heraus, fast immer stürzt sie irgendwann einfach in sich zusammen. Und niemals wird das irgendwer verhindern können. Denn Auswege zählen zu dem Wenigen, das Envy einem nicht bieten.
weitere Platten
Eunoia
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Recitation
VÖ: 22.10.2010
A Dead Sinking Story
VÖ: 09.02.2004