Zwischen laut und leise ist viel Platz. Esben klingen so, wie Metalbands nur auf dem Cover aussehen. Die herkömmliche Kritik an Esben And The Witch geht spätestens seit dem dritten Album ungefähr so: Drei Metal-ferne Engländer spielen zunächst ein Weilchen mit einer filigranen Post-Doom-Atmosphäre, bevor die Band die Waschmaschine anschmeißt und alles in studentisch brutalem Krach ertränkt. Dazu björkt sich Sängerin Rachel Davies durch sirenenhafte Register, ohne dass dabei langfristig echte Dynamik entsteht. In Wirklichkeit ist “Nowhere” wieder einmal ein Album geworden, das umso besser wird, je lauter man es hört, idealerweise über Kopfhörer in Melonengröße. Dann nämlich verlegt sich die Klippe von der Plattenhülle direkt in den Körper, und Stücke wie “A Desire For Light” nehmen den unerbittlichen Charakter an, den die Texte schon längst haben. Nach “Older Terrors” könnte das neue Album ebenso “New Terrors” heißen, denn Esben And The Witch ersparen dem Hörer keine Nuance ihres Extremismus. Der ist dieses Mal wesentlich stärker nach innen gerichtet, was sich in den behutsamsten Songpassagen seit langem niederschlägt und für mehr Befreiung als zuletzt sorgt. Mit “Seclusion” und “Golden Purifier” sind sogar zwei gefährlich zutrauliche Stücke mit dabei, die sich nah an die ersten Vorposten der Zivilisation heranwagen. Das ist aber alles nur Tarnung, Maskerade, Mimikry und letzten Endes vielleicht sogar eine Falle. Wie steht es auf den aktuellen Band-T-Shirts? “I Am Not A Dog – I Am A Wolf”.
Markus Hockenbrink 9/12
Ein Abklatsch vergangener Meilensteine – Esben And The Witch ist die Geduld ausgegangen. Wo sich auf “Older Terrors” noch 13-minütige, musikalische Naturgewalten über geheimnisvolle Gesänge spannten, empfängt einen “Nowhere” mit “A Desire For Light”, einem durchschnittlichen Siebenminüter, dessen Gitarren es hörbar an Feingefühl mangelt und dem auch der sonst so kraftvolle Gesang von Rachel Davies keine Nuancen hinzufügen kann. Das Finale des Openers schließt den Kreis, denn auch hier herrscht statt aufregender Zwischentöne nur zähflüssiger Soundmatsch. Im folgenden “Dull Gret” beschleicht einen das Gefühl, als sei Davies Stimme dem Klangfundament nicht länger gewachsen, so krampfhaft und angestrengt bäumt sie sich dagegen auf. Mit “Golden Purifier” und “The Unfoiled” machen Esben And The Witch dann plötzlich die Songs, die man sich für das ganze Album gewünscht hätte: zart und gewaltig zugleich, pulsierend, mystisch und leider viel zu kurz. Nach dem furchtbar leiernden “Seclusion” und dem den Hörer förmlich erschlagenden “Darkness (I Too Am Here)”, bleibt einem nur, diesen beiden kurzen Lichtblicken nachzutrauern. Zwar hatte die Band immer schon kurze Songs im Repertoire, jedoch fehlt hier ein intensiv in die Tiefe gehendes Herzstück, wie man es etwa mit “The Jungle” auf “A New Nature” findet. Und so fühlt sich “Nowhere” an, als hätte jemand wunderbar duftendes Waldmoos in der Mitte eines zerkratzten Turnhallenbodens zusammengefegt. Schade drum.
Juliane Kehr – 5/12
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