Was soll er denn sonst machen? Brian Fallon nimmt ein Brian-Fallon-Album auf. Was für eine Überraschung.Es war doch schon immer klar, dass sein Heartland-Rock ohne Band-Anhängsel, hießen die nun Gaslight Anthem oder Horrible Crows, immer weiter auf die mittlere Spur zieht (ein Vorwurf, der in Kollege Schwarzkamps Kritik übrigens fehlt). Klar, man kann sich abends stundenlang in die Fellkragenjeansjacke weinen, dass “Sink Or Swim” jetzt auch schon elf Jahre alt ist und diese Tage für Fallon noch kein Revival benötigen, aber deshalb muss einem nicht gleich das Schwalben-Tattoo am Hals vor Trauer ausbluten. In der reinen Lehre der Punkrock-Sittenpolizei war das Gaslight-Anthem-Debüt das einzig ernstzunehmende Album, selbst “The ’59 Sound” war ja schon Ausverkauf. Schön zu sehen, dass sich Geschichte hier wiederholt. Jetzt spielt Fallon melodiegetriebenen Rock, scheut Balladen nicht und zieht ein paar Instrumente mehr als sonst hinzu. Das sitzt allerdings und passt perfekt in jedes US-College-Radio. Aber was hätte er denn machen sollen, damit es die geforderte Überraschung geworden wäre, zu der allzu penible Kritiker nicht gleich die Haartolle vor die Klagemauer schlagen? Progrock mit Vocoder-Vocals? Dass er noch nie ein großer Sänger war, sondern es – gerade auch live – über den Faktor beherzt löst, ist doch hinlänglich bekannt. Wer darauf nicht klarkommt, muss doch nicht hinhören. Und, Herr Schwarzkamp, bei den genannten Referenzen war auch nicht alles Gold, was auf Platte gepresst wurde.
Jonas Grabosch 9/12
Westentaschen-Springsteen strikes back: Altbackener Heartland-Rock für frühvergreiste Romantiker. Ganz verdrängt, dass Brian Fallon erst vor zwei Jahren mit “Painkillers” langweil äh ein Soloalbum aufgenommen hatte. Die horrible Horrible Crowes waren da schon wieder Geschichte. Solo kann Fallon endlich all das machen, was er mit The Gaslight Anthem nicht konnte. Was so viel jetzt auch nicht ist. Im Gegenteil: Da sein heiseres Organ hier wie da im Mittelpunkt steht, ist eh alles eine Suppe. “Sleepwalkers” holt nur etwas mehr Power-Pop und Soul in den Mix. Also das, was Fallon neben Bruce Springsteen noch gerne hört. Wo früher bei The Gaslight Anthem ein stetig schwindender Punk-Appeal vorhanden war, darf jetzt im Hintergrund eine Farfisa-Orgel pfeifen – das hat bei Elvis Costello schon funktioniert. Der Titelsong hat sogar Tröten dabei, der Boss kommt ja auch nur selten ohne aus. Der eigene (Northern) Soul wird mit Fingerschnippen gleich im ersten Song – dem prätentiösen “If Your Prayers Dont Get To Heaven” – zur Schau gestellt. Bemerkenswert wie trocken und seelenlos der eigentlich schmissige Song ist. Wenn Fallon dann beim Ausklang versucht, soulig zu croonen, verpasst er dem Song den Dolchstoß, weil er klingt wie ein Eunuch. Und wenn er laut in “Forget Me Not” nach Stacy krächzt, ist dieser Song wie die meisten: poliertes Schalala. Nie erreicht Fallon die Tiefe eines Springsteen, den Witz eines Costello oder die Pop-Perfektion eines Tom Petty.
Jan Schwarzkamp 5/12