Feine Sahne Fischfilet
Alles glänzt

VÖ: 12.05.2023 | Label: Plattenweg/Warner
Text: Jonas Grabosch | Erschienen in: VISIONS Nr. 362

9 / 12

Wer im vergangenen Jahr über Feine Sahne Fischfilet gesprochen hat, sprach selten über ihre Musik. Sondern über die Vorwürfe sexualisierter Gewalt, die ein anonymer Instagram-Account Frontmann Jan “Monchi” Gorkow im Mai 2022 machte. In diesem Klima veröffentlicht die Band nun mit “Alles glänzt” den Nachfolger ihres Durchbruchsalbums “Sturm & Dreck”.

Belege, die die Anschuldigungen untermauern, gab es keine. Das Landgericht Stralsund stufte sie als Verleumdung ein, der Kanal ist seither gesperrt. Trotzdem stehen die Vorwürfe weiter im Raum und sind wiederkehrendes Thema im ohnehin nicht leisen Diskurs um die Punkband aus Mecklenburg-Vorpommern.

Adressiert wird dieses Kapitel der Bandgeschichte auf der neuen Platte nicht. Doch dass Gorkow den Trubel um seine Person – er steht wegen seines antifaschistischen Engagements etwa auf Todeslisten von Rechtsradikalen – weiterhin verarbeiten muss, merkt man in Songs wie “Angst zu erfrieren”: “Paranoia zerfrisst mich”, heißt es da, oder: “Schau auf meine Fingernägel, dann weißt du wie’s mir geht.”

Feine Sahne Fischfilet stecken zwar seit einigen Jahren in der Krise – nach der “Sturm & Dreck“-Tour war die Band ausgebrannt, verordnete sich eine Pause, zudem verließen zwei Mitglieder die Band –, trotzdem ist “Alles glänzt” nun ein Comeback, auf dem die Band ihre Stärken äußerst selbstbewusst ausspielt. Mit “Kiddies im Block” eröffnet kräftiger und zackiger Trompetenpunk das Album, großer “Woo-hoo”-Refrain inklusive.

Apropos Refrain: Mit Liedern wie “Komm mit aufs Boot”, “Diese eine Liebe” oder “Wenn’s morgen vorbei ist” schreiben Feine Sahne Fischfilet einen Mitsing-Chorus nach dem nächsten und untermauern, wie sie sich in den vergangenen Jahren zu einer der großen Livebands Deutschlands hocharbeiten konnten. “Alles glänzt” ist eine Platte, die das Politische im Persönlichen abbildet. In “Wenn wir uns sehen” geht es um den Seenotretter Dariush Beigui, dem für seinen Aktivismus eine Gefängnisstrafe droht und der an den traumatischen Erlebnissen im Einsatz zerbricht. Mit “Tut mir leid” feiert der neue Gitarrist und Co-Sänger Hauke Segert seinen Einstand. In dem schwärmerischen Sommersong singt er darüber, wie er sich den Traum erfüllt, in einer erfolgreichen Band zu spielen, und sich für die Zeit entschuldigt, die er auf Tour und nicht daheim verbringen wird.

“Alles glänzt” ist womöglich das rundeste und stärkste Album dieser Band – jedoch auch eines, dessen Rezeption weiterhin im Schatten der Ereignisse des vergangenen Jahres stattfindet.

Das steckt drin: Broilers, Die Toten Hosen, Rantanplan