Fjørt gehören zu den wohl reduziertesten Maximalisten, die man sich vorstellen kann. Oder umgekehrt. Denn die Kraft dieser Band liegt auch und vor allem auf diesem, ihrem vierten Album im Kompakten wie im Ausufernden gleichermaßen. Und im Gestus dieser drei ernsten Musiker, darin, wie sie die Dinge an gehen. So spielten Fjørt im August dieses Jahres in Referenz an ihre eigene Diskografie innerhalb von 36 Stunden acht Konzerte in acht verschiedenen Clubs in zwei Städten. Denn Fjørt meint auch immer Arbeit, nicht zuletzt geistige. Hier wird nicht gefeiert, hier wird gegrübelt und gespuckt und beim Headbangen stets auf die Denkerstirn geachtet.
Ausladender denn je im Klangbild, dabei ungemein konzentriert in der Wucht, bietet Nichts ein fast schon paradoxes Bild von titanischer Intimität. Wie ein Gebirgsmassiv am Horizont, das aus der Ferne betrachtet nur umso näher wirkt. Ja, ein Bedeutung heischendes Bild, das in seiner Hilflosigkeit die Wortgewalt einzufangen sucht, mit der Fjørt ihre Inhalte anbieten und beim großen Sprung über das Reclam-Regal kopfüber im Zettelkasten der deutschsprachigen Rockmusik von Jens Rachut bis Schweisser landen. Exaltiert proklamierte Lyrik, Riffkanten, sich auftürmende Dezibelstürme – “Nichts” umfasst die Welt dieser Band nahezu hermetisch und doch einladend.
So sachte wie der Titelsong das Album mit sphärischen Sounds eröffnet und sich rasch zu einem kantigen, von unheilschwangeren Schlagzeugminiaturen getragenen Doom-Groover entwickelt, so unglaublich vielschichtig ist die Ereignisdichte, die jeden einzelnen der zwölf Songs plus Gitarrenzwischenspiel bestimmt. Der Gesang von Bassist David Frings und Gitarrist Chris Hell nimmt mehr Raum ein denn je, während Schlagzeuger Frank Schophaus kraftvoll und dabei unglaublich dynamisch das weite Klangfeld durchmisst. Kaum zu glauben, dass diese Dichte sich lediglich drei Musikern und ihren opulenten Effektboards verdankt. Der zugleich wütende und melancholische Banger “Sfspc” überführt diesen Anspruch des Ausreizens in den Pit, das darauffolgende “Salz” verweigert sichgleich allem und vernäht Math Rock und Post-Hardcore zu einer verstolperten Indie-Hymne, der verzerrte Bass in “Schrot” macht alles aufs Wundervollste kaputt und “Kolt” stößt in seiner ungeahnten Zugänglichkeit die Pforten zum Stadionrock auf. So geht es Schlag auf Schlag bis zum tosenden “Lod”, einem Ungetüm aus Noise und Zorn, das ein Album abschließt, wie es viele Künstler nur einmal im Leben schreiben. Ein Album auch, das perfekt als Schlusspunkt funktionieren würde. Alles, was diese Band auszeichnet, erfährt hier seine konsequente Verdichtung. Dabei ist nichts von dem, was Fjørt machen, wirklich neu. Doch die Freiheit, mit der “Nichts” sich aus dem Fundus der sperrigen, stochernden und inhaltsschweren Gitarrenmusik bedient, ist so rauschhaft wie ansteckend. Schön, dass es Fjørt gibt. Auch und gerade, weil es ihre Angebote zuvor schon in unterschiedlichen Variationen gab. Nur eben selten so gut.