In einem Interview sprach Flood Of Reds Sänger Jordan Spiers einmal von der verlorenen Kunstform des Rockalbums, der sich seine Band verpflichtet fühle – koste es, was es wolle. Natürlich schwingt in solchen Sätzen eigentlich etwas zu viel Kulturpessimismus für einen so jungen Mann mit. Aber wie ernst es ihm mit dieser Aussage war und ist, hört man jetzt: Das zweite Flood-Of-Red-Album ist aufgenommen, es heißt Throw und ist eine große, packende, herausfordernde Platte wie aus einem Guss. Man hört dieses Album und geht im Geiste die Referenzen durch, die sich aufdrängen, mal mehr, mal weniger: das Episch-Pathetische von Dredg, die Wucht früher Biffy Clyro, die emotionale Stimmgewalt von Sparta, das verspielt-vertrackte Element von Circa Survive und Minus The Bear. Und trotzdem, denkt man, ist da noch eine weitere Parallele. Eine Band, die sich mehr als alle anderen genannten als Vergleich für Flood Of Red anbietet. Dann kommt man endlich darauf: Diese Band ist Flood Of Red selbst.
Denn es ist tatsächlich eine ungeheure Stärke dieser Platte: Vom ersten Song an definiert und etabliert sie einen ganz eigenen Sound, so klar und nachhaltig, dass man sich auf halbem Weg durchs Album unterbewusst an den Start zurückerinnert fühlt. Allerdings nicht – und das ist das Entscheidende – auf unangenehme Weise, weil Flood Of Red etwa beginnen würden, sich zu wiederholen oder ihre Trademarks kalkuliert auszureizen. Stattdessen versteht es die Band aus dem schottischen Outback ziemlich brillant, ihren Sound von Song zu Song zu variieren, Brücken zu spannen, die letztlich von Anfang bis Ende reichen und in der Konsequenz eine maximal homogene Platte ergeben. Das meint Jordan Spiers, wenn er von der Kunstform des Rockalbums spricht: einen Kontext, etwas Ganzes. Es ist nicht so, als würde der eine oder andere Song auf Throw keine gute Single-Auskopplung abgeben – es ist nur so, dass sich die Band darum einen Dreck zu scheren scheint. Allein deshalb dürften sich Flood Of Red dank ihres neuen Labels Superball nunmehr unter Gleichgesinnten fühlen. Stichwort Trail Of Dead, Stichwort Long Distance Calling.
Bleibt die Frage: Für wen ist diese Band gemacht? Für die Progger, weil Flood Of Red beim Songwriting Formate sprengen und ihre Songs oft wilde Haken schlagen? Für die Hardcore-Fans, weil sie ihr DIY-Ethos – teils aus Stolz, teils aus Notwendigkeit – vor sich hertragen und es in Spiers Texten vor Teenage Angst wimmelt? Oder doch für alle, denen im klassisch-90s-inspirierten Alternative Rock immer noch viel zu wenig passiert und denen energische Ausbrüche wie in Part Truth/ Part Fiction ebenso liegen wie das Hymnenhafte von Lashes oder die großen Streichergesten in White Russian? Man muss sich nicht festlegen, im Gegenteil: Eine Grundsympathie für progressives Handwerk, große Melodien und offen betonte Emotionen vorausgesetzt, funktioniert Throw für Rockfans unterschiedlichster Lager. Damit ist Flood Of Red nicht nur die Kunstform des Rockalbums geglückt, sondern mehr noch: ein wirkliches Konsenswerk. Chapeau!
Ein ausführliches Interview mit Flood Of Red lest ihr in VISIONS Nr. 256 – ab dem 25. Juni am Kiosk.