Fontaines D.C.
Skinty Fia
Text: Jonas Silbermann-Schön
Der jugendliche Elan des Debüts “Dogrel” ist verflogen, die Desillusion von “A Hero’s Death” auch – das Poetenherz von Sänger Grian Chatten ist diesmal ein besonders blutiges und gibt sich nicht mehr hypnotischen Refrains hin. Der Anlass dafür ist zwar weniger frenetisch als beim vom Durchbruch geschundenen Vorgänger, aber das neue Leben fern von Irland fördert neue Konflikte und schmerzhafte Eingeständnisse zutage. Damit reihen sich Fontaines D.C. in eine lange Liste irischer Auswanderer ein: von singenden Hafenarbeitern im Pub bis zu Shane McGowan und The Pogues, die das Irischsein und Punkrock zum richtigen Zeitpunkt vereinten. Wenn auch weniger alkoholgeschwängert lebt der rebellische Geist traditioneller Geschichtenerzähler auch in Chatten weiter. Der Opener “In ár gCroíthe go deo” bietet dazu eine beeindruckende Klangkulisse mit leise anschwellenden Synthies und Chor-Gesängen. Dazu erzählt Chatten die Geschichte einer in England lebenden Irin, der eine gälische Inschrift auf ihrem Grabstein verweigert wurde. Auch “Roman Holiday” ätzt gegen die neue Heimat: “I don’t want to see the Queen/ I already sing her song/ While theyre snuffing out hopes and they’re blotting out suns/ They claim to know the form in which genius comes.” Dazu erklingen schizophrener Weise riesige Oasis-Gitarren. Das reumütige “The Couples Across The Way” begibt sich dann lediglich mit Akkordeon auf Ahnenforschung in den Pub, “Jackie Down The Line” seziert schwungvoll wie The Smiths dysfunktionale Beziehungen, ehe der Titelsong Fontaines D.C. mittels treibendem Rave-Rock à la Primal Scream in Londons Clubs befördert. Auch dort ist kein Platz für Sehnsüchte, es geht nur um die Schuld am Verlassen: Der brutale Höhepunkt, “I Love You”, beginnt mit dem ewigen Aufsagen von Chattens Liebeserklärung an Irland. Dass er sich damit selbst ad absurdum führt, wird erst in der zweiten Hälfte klar, wenn der Song in eine epische Klanglandschaft aufbricht und Chattens klagender Sprechgesang in Blut statt Rosen badet: “But this island’s run by sharks with children’s bones stuck in their jaws.” Die stete Ambivalenz – auch angedeutet im Titel und auf dem Cover durch den vom Aussterben bedrohten irischen Rothirsch – zielt auf den Verlust der eigenen Identität ab, der zuletzt noch abgewendet werden kann. Der neue Kampf mit sich selbst lässt Fontaines D.C. auf “Skinty Fia” erst so richtig aufleben.