Vielleicht gelingt das große Aufsehen ja mit Album Nr. 2. “Life Processes” macht es einem einfach. “Give Me A Wall” sah in seinem Durchfallbraun schließlich nicht verlockend aus. Die Songtitel zwischen “Seven” und “Nineteen” waren ebenfalls nicht gerade das, was man als unverwechselbar beschreibt. Das neue Äußere ist da offenherziger – im wahrsten Sinne des Wortes. Sänger Tom Woodhead gewährt einen Einblick in sein Inneres. Rob Canning (Bass), Whiskas (Gitarre) und Katie Nicholls (Schlagzeug) offenbaren zudem Hirn, Sinne und Rückgrat. Alles stellvertretend für die Musik, versteht sich. Die kommt diesmal verpackt in vollwertige Titel. Einer davon ist “Don’t Reinvent What You Don’t Understand”. Ein anderer “A Shadow Is A Shadow Is A Shadow”. In akustische Form gebracht hat diese – und neun weitere – Matt Bayles. Verwunderlich ist es nicht, dass ¡Forward, Russia! sich diesen Herrn ausgesucht haben. Hat ihr Sound schließlich auch eine ähnlich verspielte Note wie man sie von Bayles Ex-Band Minus The Bear kennt. Ebenso platziert sich diese Platte dreist und selbstbewusst zwischen allen Stil-Stühlen. Ist das noch Indierock? Oder Postpunk? Oder doch eher Postrock? Aber mit Prog drin. Es ist, was es ist – und was es zuvor bereits war: eine einzigartige Verschmelzung von düsterer Wavestimmung (und den dazugehörigen Schlagzeugbeats) und atmosphärischem, nicht zuletzt progressivem Postrock. Da standen Joy Division und Sonic Youth genauso Pate wie Muse, Biffy Clyro oder …Trail Of Dead. Dass das toll ist, haben die Engländer sofort erkannt und die Band aus Leeds zu Single-, Radio- und Tourlieblingen werden lassen. Mit “Life Processes” dürften ¡Forward, Russia! diesen Status untermauern. Die Songs sind stark. Niemand dürfte etwas anderes erwartet haben. Talent steht den vieren ja geradezu ins Gesicht geschrieben. Hier werden Haken geschlagen. Mal direkt, mal ums Eck gerockt. Tanzbare Passagen preschen in Flächen aus sanftem Geplucker. Eine Tour de Force, wie sie im Lehrbuch für aufstrebende Indierocker steht. Vom knackigen Opener “Welcome To The Moment (The Rest Of Your Life)” und der fast neunminütigen Ausklangshymne “Spanish Triangles” ist alles dabei, was das Herz begehrt. Wenn nur nicht Woodheads jaulender Gesang manchmal etwas zu drüber wäre. Aber da muss man wohl durch. Das ist eben sein Stil. Kompromisse machen andere.
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Give Me A Wall
VÖ: 04.08.2006