Frank Carter & The Rattlesnakes
Dark Rainbow
Text: Nicola Drilling / Juliane Kehr | Erschienen in: VISIONS Nr. 371
Frank Carter And The Rattlesnakes präsentieren ein gelungenes Potpourri an Einflüssen.
Das beginnt textlich herrlich schnulzig mit dem Bass-lastigen Alternative-Rock-Brecher “Honey”, bevor sich Frank Carter in “Man Of The Hour” der Frage widmet, wie das mit dem Rockstar-Dasein 2024 noch funktionieren soll. Fast flehend schreit Carter dann wenig später in “Superstar”: “Let me be your superstar!” Zur Besinnung kommt er anschließend im fuzzigen “Self Love” und erreicht das Bewusstsein, dass es am wichtigsten bleibt, mit sich selbst im Reinen zu sein.
Diese Erkenntnis zieht sich durch das ganze Album und erreicht die Band genau im richtigen Moment. Mit dem Wissen, dass etwa “Sun Bright Golden Happenings” bereits seit 2019 existiert, aber erst jetzt, zwei Alben später, seinen Platz gefunden hat, zeigt, wie lange Carter und seine Bandkollegen gebraucht haben, um sich von Konventionen freizumachen und ihr eigenes Ding durchzuziehen. Im Fokus steht nun eine Experimentierfreude, die Einflüsse von Classic Rock über Bluesrock bis zu gefühlvollen Pop-Momenten in den Sound von Frank Carter & The Rattlesnakes einbaut. Die elf introspektiven Songs auf “Dark Rainbow” fügen ein frisches, neues Kapitel zu Carters Katalog hinzu, den zu Beginn seiner Karriere wohl niemand so erwartet hätte.
Das einstige Hardcore-Kid hat sich endgültig vom Pop-Kitsch verführen lassen.
Seit dem bissigen Solodebüt “Blossom” ist musikalisch viel passiert im Hause Frank Carter: Die harten Riffs und giftigen Texte hat er mit den Alben “Modern Ruin” und mehr noch mit “End Of Suffering” immer weiter ausgeschlichen, sie waren jedoch nie ganz weg – bis jetzt. Auf “Dark Rainbow” geht Carter den finalen Schritt zum seichten Radiorock und Pop.
Hauptschwachpunkt der neuen Songs sind die Texte: Die könnten das öde Einheitsschlagzeug und die vor sich hin flitternden Synthies noch aufwerten, aber sie sind nicht annährend dicht genug, um sich das Prädikat “intelligenter Pop” zu verdienen. Stattdessen zeichnet Carter mit Zeilen wie “The rockstar, popstar, man of the hour/ Don’t let him out/ Just sing it loud.” (“Man Of The Hour”) oder “dancing on a table like you’re ready to die” (“American Spirit”) stereotype Bilder, die so ausgewaschen und überstrapaziert sind, dass sie nichts mehr bedeuten.
“Honey” und “Superstar” würzen dieses textliche Unvermögen dann noch mit einer erzwungenen Sexiness, die eher Fremdscham als Lust auslöst und die paar guten musikalischen Momente verblassen lässt. Carter ist weitergezogen Richtung Radio-Einerlei, wo sicher eine neue, andere Fanbase auf ihn wartet. Ich kehre lieber zurück zu “Blossom”.
weitere Platten
Sticky
VÖ: 15.10.2021
End Of Suffering
VÖ: 03.05.2019
Modern Ruin
VÖ: 20.01.2017
Blossom
VÖ: 28.08.2015