Vorne sitzen Michael Stipe, Colin Meloy und Ben Gibbard und schweigen milde, während ihr Schützling ans Fenster gelehnt auf amerikanische Landstraßen und triste Vororte schaut und alles rauslässt, was sie längst nicht mehr in sich haben. Knapp zwei Jahre ist es her, dass Turner mit “England Keep My Bones” das leicht hippiesk verschluffte Singer/Songwritertum endgültig hinter sich ließ und zum raubeinigen Rehauge für viele Gelegenheiten wurde. Lagerfeuer-Romantik, Festivalhymnen, englisches Blut und Hardcore-Herz, und alles immer mit so viel überschwappendem Whiskey-Elan, dass Chuck Ragan dagegen zeitlupenlangsam und lächerlich unterinstrumentiert wirkte. Den Elan wird er nun nicht los, aber “Tape Deck Heart” spielt in keiner Kneipe mehr. Ein echter Teamplayer wird aus Turner wohl nicht mehr, trotzdem klingt seine Band auf seinem fünften Album nicht mehr wie nachträglich eingeladen, damit es ihm allein nicht so fad wird, sondern spielt von Anfang bis Ende gleichberechtigt mit und erinnert damit nicht nur mangels Alternativen direkt an die guten alternativen Rockbands mit Folkeinfluss von früher bis heute. R.E.M. eben, von deren “Shiny Happy People” das ganz schön unraue “Losing Days” abkupfert. Death Cab For Cutie und die Decemberists, denen Turner “Plain Sailing Weather” auf die verkorksten Nerdseelen geschrieben und dabei jeweils sowohl die gefährlichen, düsteren Spätphasen beider Bands und die braver poppenden davor abgedeckt hat. Und mit “The Fisher King Blues” auch hübsch nachdenkliche Singer/Songwriter wie “Emmy The Great” oder “Alcoa”, die wie er mit einer Akustikgitarre allein nicht glücklich werden. Turner hat ein Klavier, das schunkeln und schwelgen kann, Streicher, eine Mandoline, eine Mundharmonika und vor allem eine klassische Rockband als Basis von allem. Weil er die jetzt endlich richtig überschaut, muss er nicht mehr ständig rufen, sich nicht mehr pausenlos zwischen ihnen beweisen, nicht mehr so oft betonen, was für ein tougher Einzelkämpfer er eigentlich ist. Von (seinen) Tattoos und vom Alkohol singt er trotzdem noch, nur könnte man vieles von “Tape Deck Heart” im Erwachsenenradio verstecken, ohne dass sich jemand erschrecken würde. Schön ist das, kein bisschen langweilig dabei, auch weil er ein paar wenige Male dann doch noch ausrutscht. “Four Simple Words” ist der berechenbarste langsam-schnell-langsam-schnelle Punk-Sirtaki aller Zeiten, und der Kalauer in “Anymore” hat einen Bart, auch wenn er passt: “Im not drinking anymore/ But Im not drinking any less.”
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