Franz Ferdinand
The Human Fear

Das sechste Album beginnt wie gewohnt, um in der großartigen zweiten Hälfte neue Felder zu erschließen.
Von der Band, die ab 2004 den Indie-Gitarren das Tanzen beibrachte, sind nur noch Chef Alex Kapranos und Bassist Bob Hardy übrig. Ein Problem ist das nicht. Zumal die Zeichen bei Franz Ferdinand auch musikalisch auf Wandel stehen. Davon merkt man zu Beginn von “The Human Fear” zunächst nicht viel: Das erste Album nach sieben Jahren beginnt mit Songs, die man von Franz Ferdinand erwartet und die auf diese Art auch nur sie spielen können: Post-Punk mit Groove zwischen engem Keller und Großraumdisco.
Zugegeben: Es gab in der Diskografie der Band schon zwingendere Stücke dieser Art. Macht aber nichts, denn ab dem siebten beginnt die Backstage-Party. “Tell Me I Should Stay” bietet dezente Schwermut, “Black Eyelashes” ist ein griechischer Folksong, gespielt von einer Post-Punkband: Zum ersten Mal sucht Kapranos die musikalischen Wurzeln seines Vaters.
Das Highlight kommt zum Schluss: “The Birds” erzählt vom Verhalten der Tauben, Kapranos bezieht das auf sich selbst. Eine Fabel ohne Moral. Die Musik ist so rau wie noch nie in der Geschichte der Band: Ein hartes, sich wiederholendes Riff, ein trockener Rhythmus, Kapranos gibt nicht den Crooner, sondern den ätzenden Beobachter seiner selbst. Sollte er häufiger machen.
André Boße
Die Ängste, über die Franz Ferdinand singen, beziehen sich nicht darauf, belanglos-weihnachtlichen Pop zu produzieren.
Denn würde sich die schottische Indierockband vor dem Einstampfen ihrer bisherigen Werte ängstigen, hätten sie das Sorgenfalten bereitende “The Human Fear” wohl umgehen können. Schon in “Audacious” klingt ein seltsames Rockabilly-Flair zwischen den Zeilen durch, bevor Frontmann Alex Kapranos dann in “Everydaydreamer” anfängt, zu croonen und mit ordentlich Synthies im Hintergrund beladen, den Weg für das erste inoffizielle Franz-Ferdinand-Weihnachtsalbum freizumachen.
Das erreicht spätestens mit “Tell Me I Should Stay” seinen festlichen Höhepunkt, kurz zuvor fährt bereits in “Hooked” der Geist von Depeche Mode in die Schotten, ebenso scheint der jüngste Griechenlandurlaub Kapranos in “Black Eyelashes” noch einmal nachträglich zu beschäftigen.
Auch wenn sich die Band immerhin das zu den Feiertagen typische Glockengebimmel im Hintergrund spart, schwingen auf “The Human Fear” so viele flimmernde Synthies mit und wird das Tamburin bis zum Umfallen geschüttelt, dass auch die Texte, die sich mit den größten menschlichen Sorgen beschäftigen sollen, die Stimmung nicht mehr rumreißen können. Schöne Bescherung. Hoffentlich erscheint das nächste Album zur Sommerzeit.
Das steckt drin: Gang Of Four, Kaiser Chiefs, The Killers
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