Fucked Up
Someday

Das fängt mit grundsätzlichen Überlegungen an. Statt wie üblich Frontmann Damian Abraham ans Mikro zu lassen, gibt auf dem dritten Album in knapp zwei Jahren hauptsächlich Gitarrist Mike Haliechuk den Sänger. Das macht den musikalischen Output automatisch melodischer. Denn der raspelnd-rumpelige Gesangsvortrag, den man im Allgemeinen mit Fucked Up verbindet, ist Abrahams Markenzeichen. Auch die Classic-Rock-Versatzstücke sind auf Someday rarer gesät und blitzen frühestens im dritten Song “Feed Me Your Feathers” durch.
Stattdessen gibt es Power Pop mit 70er-Punk-Einschlag, der perfekt zu Haliechuks Stimmfarbe und Timbre passt. Dazu kommen Gastauftritte von High Vis-Frontmann Graham Sayle, Pat Flynn von Have Heart und Fiddlehead sowie von Rifle-Frontmann Max Williams. Besonderen Eindruck hinterlassen aber die Gastsängerinnen Tuka Mohammed und Alt-Country-Künstlerin Julianna Riolino. Erstere verarbeitet in “I Took My Mom To Sleep” ihre Erfahrungen mit dem Irakkrieg und ihrer daraus folgenden Diaspora, während Riolino auf “In The Company Of Sisters” darüber singt, wie Männer immer noch über Frauenkörper bestimmen. Zwei großartige Songs, die dadurch zusätzlich gewinnen, dass die Texte relativ unverblümt und klar präsentiert werden.
Sowieso ist “Someday” textlich genauso geradlinig wie musikalisch, auch wenn die Text-Ton-Schere teilweise weit aufklafft. Das gut gelaunte “Grains Of Paradise” ist etwa aus der Perspektive eines Bootsgeflüchteten geschrieben und trifft mit simplen Textzeilen wie “They watch our lives through their smartphones and wait for us to drown” direkt ins Mark. Das erwähnte “Feed Me Your Feathers” beschäftigt sich mit der Protestkultur der jüngeren Generationen und dem Unverständnis ihrer Eltern, dass man genau jetzt aktiv werden muss, um die Zukunft zu sichern. “The Court Of Miracles” dreht sich um eine aus ihrem Heimatland vertriebene Person, die in ihrem neuen Zuhause aufgrund von Rassismus nicht Fuß fassen kann.
Kurz: Die textliche Welt von “Someday” ist düster und bedrückend, die musikalische wippt und swingt in der Sommersonne. Das erzeugt Reibung – und das ist gut. Denn so hört man noch genauer hin, wenn Fucked Up in klaren Worten Dinge thematisieren, die uns alle angehen und angehen sollten. Völlig unabhängig davon, ob man avantgardistischen Pop, bulligen Hardcore oder treibenden Punk mag.
Das steckt drin: Japandroids, The Replacements, Superchunk
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